SUCHE
Warenkorb
Tickets kaufen
  
Tickets wählen:
Tag wählen:
  • mumok Ticket
  • Regulär
    0,00 €
  • Ermäßigt – Studierende unter 27 Jahren
    0,00 €
  • Ermäßigt – Senior*innen ab 65 Jahren oder mit Senior*innenausweis
    0,00 €
  • Ermäßigt – Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren
    0,00 €
  

Zurück

Öffnungszeiten

Dienstag bis Sonntag

10 bis 18 Uhr




Samstag, 6. Dezember 2025, 14 bis 15.30 Uhr

FEMINIST PERSPECTIVES OF DISABILITY
PROGRAMM 2 | INKLUSION I: MAKING ACCESS WORK – Prozesse inklusiven Filmemachens 

Feminist Perspectives | Programm 2 | INKLUSION I: MAKING ACCESS WORK – Prozesse inklusiven Filmemachens

Wie entsteht ein Film, wenn Barrierefreiheit nicht nachträglich hinzugefügt, sondern von Anfang an mitgedacht wird? Was geschieht, wenn behinderte Menschen nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera stehen und die Produktionsprozesse selbst gestalten? Das zweite Programm widmet sich inklusiver Filmpraxis als einem Neudenken dessen, was Film sein kann und wie er gemacht wird.

Die vier Arbeiten verstehen Access als kreatives Prinzip und ästhetische Entscheidung. Sie zeigen, dass inklusive Filmproduktion nicht bedeutet, bestehende Formate anzupassen, sondern neue filmische Sprachen zu entwickeln – Sprachen, die aus den spezifischen Erfahrungen, Bedürfnissen und Perspektiven behinderter und neurodivergenter Menschen entstehen und deren Perspektiven aufgreifen.

After… After… Access von Jordan Lorde macht diese Haltung bereits im Titel explizit: Access kommt nicht “after” – nicht nachträglich, nicht als Zusatz, nicht als Pflichtübung erst nach Androhung rechtlicher Konsequenzen. Der Essayfilm dokumentiert Lordes Vorbereitung auf eine Herzoperation und reflektiert dabei grundsätzlich über das Verhältnis von Zeigen und Erzählen, über verschiedene Dimensionen von Zugänglichkeit. Audiodeskription und Open Captioning sind hier keine optionalen Features, sondern untrennbare, konstitutive Bestandteile des Films selbst. Lorde zeigt, dass Barrierefreiheit keine Einschränkung der künstlerischen Freiheit ist, sondern deren Voraussetzung.

Seo Hye Lees [sound of subtitles] und Portland Forecast erforschen die Poesie und Fragilität von Kommunikation aus der Perspektive einer tauben Künstlerin. In [sound of subtitles], einem einminütigen Film ohne Ton, werden drei identische Bildsequenzen mit drei verschiedenen Untertiteln versehen – einmal handlungsbasiert, einmal abstrakt, einmal musikbasiert. Diese spielerische Intervention macht sichtbar, wie prägend Sprache unsere Wahrnehmung formt und wie sehr die Art der Beschreibung die Bedeutung verändert. Lee lädt uns ein, unabhängig von unserer Hörfähigkeit, eigene Soundscapes zu imaginieren und die Bedeutung des Zuhörens neu zu denken.

Portland Forecast erweitert diesen Ansatz zu einem komplexen Geflecht aus kreativen Untertiteln, Soundbeschreibungen und dualer Narration auf Super-8-Material. Inspiriert vom Shipping Forecast – jener poetischen britischen Tradition der Seewetterberichte im Radio – spricht der Film – in Analogie zum Wetter –  über die Unvorhersehbarkeit von Sprache und Kommunikation. Lee macht Zugänglichkeit zum zentralen künstlerischen Prinzip und öffnet dadurch multiple Kanäle von Access und Bedeutung. Ihre Arbeiten demonstrieren, dass Untertitel und Audiodeskription keine neutralen Übersetzungen sind, sondern interpretative, kreative Akte.

Alien von Sybille Bauer-Zierfuß, Elsa Scheel und Helena Paflik erzählt eine paradigmatische Geschichte inklusiven Filmemachens als Prozess des Umdenkens – oder wie Bauer-Zierfuß sagt: des Umdenken-Dürfens. Ursprünglich als Spielfilm über Autismus geplant, mit autistischen Kindern in den Hauptrollen, zeigte sich schnell, dass das klassische Film-Set nicht funktionierte. Die Filmemacherin ließ ihre internalisierten Vorstellungen los und vertraute vollständig auf die Ideen und Entscheidungen von Elsa und Helena. Die Filmcrew verließ das Set, der Drehort wurde in die Privatwohnung verlegt, alle kreativen Arbeiten wurden von den drei Autist*innen selbst übernommen. 

Das Ergebnis ist mehr als ein Film – es ist die Dokumentation eines Lernprozesses, ein Safer Space, ein intergenerationaler Dialog. Die drei schlüpfen in verschiedene Rollen, um ihre Alltagserlebnisse in einer Welt zu reflektieren, die ihnen das Gefühl gibt, Aliens zu sein. In einer besonders eindrücklichen Szene kehrt sich die Perspektive um: Sybille spielt ein neurotypisches Kind, während Helena über sie spricht, so wie normalerweise die Gesellschaft über autistische Menschen spricht. Diese Umkehrung des Blicks macht die Gewalt normativer Zuschreibungen spürbar und fordert zum Zuhören auf.

Die vier Filme zeigen, dass inklusive Filmproduktion nicht bedeutet, behinderte Menschen in bestehende Strukturen zu integrieren, sondern die Strukturen selbst zu verändern. Sie demonstrieren, dass Disability Aesthetics produktiv ist – dass aus den spezifischen Erfahrungen und Bedürfnissen behinderter und neurodivergenter Menschen innovative filmische Formen entstehen, die das Medium selbst erweitern.

Was hier sichtbar wird, ist eine post-ableistische Filmpraxis: Film nicht als normiertes Produkt, sondern als offener Prozess; nicht als individuelles Werk, sondern als kollaborative Praxis; nicht als Repräsentation von Behinderung durch Nicht-Behinderte, sondern als von behinderten Menschen selbst gestaltete Kunst. Solche Filme sind  Manifeste und Einladungen: Sie fordern strukturelle Veränderungen in der Filmbranche und zeigen konkret, wie diese aussehen können. Sie machen deutlich, dass Barrierefreiheit nicht Verzicht bedeutet, sondern Gewinn – an ästhetischer Komplexität, an Perspektivenvielfalt, an filmischer Innovation. Access first ist nicht nur eine ethische Forderung, sondern ein kreatives Versprechen.

Informationen
PROGRAMM 2
Samstag, 6. Dezember 2025
14 bis 15.30 Uhr
INKLUSION I: MAKING ACCESS WORK – Prozesse inklusiven Filmemachens 

 

  • After… After… Access (Jordan Lorde, USA 2018, 16 min) OmeU (SDH, AD integriert)
  • [sound of subtitles] (Seo Hye Lee, UK 2021, 2 min) OmeU (SDH, ohne Ton)
  • Portland Forecast (Seo Hye Lee, UK 2023, 11 min) OmeU (SDH, AD integriert)     
  • Alien (Sybille Bauer-Zierfuss mit Elsa Scheel, Helena Paflik, AT 2024, 22 min) OmdU (SDH)

Im Anschluss: 
Sibylle Bauer-Zierfuss (Gespräch auf Deutsch, ÖGS) 
Gespräch mit Jordan Lorde (per Zoom, Gespräch auf Englisch, ÖGS)
Moderation: Clara Trischler 

 

Der Eintritt zur der Veranstaltung und zum Screening ist frei, benötigt wird lediglich die Online-Anmeldung für ein Ticket. Registrieren Sie sich bitte für jene Slots, an denen Sie persönlich teilnehmen können. Das Ticket können Sie an der Kassa gegen ein Bändchen tauschen, das an dem Tag auch den kostenlosen Eintritt in alle Ausstellungen des mumok ermöglicht. 

Die Organisatorinnen möchten mit dem freien Eintritt eine niederschwellige Teilnahme am Programm ermöglichen, bitten jedoch um eine freiwillige Spende für den organisatorischen Aufwand. Eine Spendenbox wird im mumok kino aufgestellt.

sound of wandering
Loading...

FILMSYNOPSEN PROGRAMM 2

Mit Fragen der Zugänglichkeit setzt sich dieser Essayfilm auseinander, indem der Filmemacher versucht, die eigene Herzoperation zu dokumentieren. Der Film begleitet Jordan Lorde bei der Vorbereitung auf die Operation: beim gemeinsamen Betrachten medizinischer Bilder des eigenen Körpers mit Freund*innen, beim Wiedersehen mit einer früheren Liebe, bei den Vorbereitungen für die Ankunft der Mutter in New York, bei der Dokumentation der Ankunft der Familie und schließlich bei der Aufnahme ins Krankenhaus. Begleitend zu diesem Material reflektiert die Voice-Over-Erzählung des Films über die Beziehung zwischen Zeigen und Erzählen, über verschiedene Dimensionen von Zugänglichkeit und darüber, wie Zugänglichkeit häufig erst nach der Androhung rechtlicher Konsequenzen mitgedacht wird – sowohl im Kontext der Entstehung dieses Films als auch im Kontext von Behinderung im Allgemeinen. After… After… Access versteht Zugänglichkeit als erzählerische und technische Grundvoraussetzung: Audiodeskription und Open Captioning sind untrennbare Bestandteile des Films.

Ein Film ohne Ton, in dem eine wiederholte Bildsequenz mit drei verschiedenen Untertiteln versehen werden: handlungsbasiert, abstrakt und musikbasiert. Seo Hye Lee erkundet spielerisch die Nuancen zwischen Sprache und Klang und vergleicht das Formen von Keramik auf einer Töpferscheibe mit der Art und Weise, wie Sprache und Kommunikation Bedeutung gestalten.

„Solange ich mich erinnern kann, benötige ich beim Fernsehen und Filmeschauen Untertitel. Besonders faszinierend war für mich stets die Beschreibung einzelner Geräusche und Musik. Als Person, die nicht mit Popmusikkultur aufgewachsen ist, fand ich es interessant, immer wieder neu zu überlegen, wie Musik in abstrakterer Form klingt und die Klänge mit verschiedenen Emotionen zu verbinden.

Da mich die subtilen Nuancen zwischen Sprache und Klang interessieren, hat mich meine Recherche dazu geführt, die Sprache von Untertiteln in Archivmaterial von Keramik- und Kunsthandwerksfilmen zu erforschen, die ich gesammelt habe (...). Ich wollte erkunden, wie identische Bildsequenzen unterschiedliche Bedeutungen annehmen, wenn die Untertitel verändert wurden, und insbesondere, wie dies das Seherlebnis für das Publikum verändern kann. Durch die Gegenüberstellung von abstrakten, handlungsbasierten und musikbasierten Untertiteln möchte ich hervorheben, wie mächtig der Einsatz von Bildern und Worten sein kann und wie sehr dies unsere Wahrnehmung von Ereignissen verändern kann. [sound of subtitles] bleibt durchgehend ohne Ton und ermöglicht es dem Publikum, den Übergängen von Bildsequenzen und Texten zu folgen. Er ermutigt die Zuschauer*innen, ihre eigene Interpretation von Klang und Ereignis zu entwickeln. Unabhängig vom Hörvermögen kann jede*r die eigene einzigartige Klanglandschaft erkunden und die Bedeutung des Zuhörens neu interpretieren." (Seo Hye Lee)

Portland Forecast ist ein zeitbasiertes Werk, das die Fragilität und Poesie von Kommunikation durch die taktile Materialität des Super-8-Films erforscht. Ausgehend von meiner Erfahrung als taube Künstlerin verwebt es kreative Untertitel, Sound-beschreibungen und duale Narration, um multiple Kanäle von Zugang und Bedeutung zu eröffnen. Inspiriert vom „Shipping Forecast“, dem britischen Seewetter-Bericht, spricht der Film über die Unvorhersehbarkeit von Sprache und Kommunikation und stellt Zugänglichkeit als zentrales künstlerisches Prinzip voran. Durch die Integration multipler Kommunikationsformen lädt der Film zu einer umfassenderen, inklusiveren Form der Begegnung mit dem bewegten Bild ein." (Seo Hye Lee)

Ursprünglich als Spielfilm geplant, entwickelte sich das Projekt zu einem barrierefreien Experiment, geschaffen von drei Autist*innen unterschiedlichen Alters: Elsa Scheel, Helena Paflik und Sybille Bauer-Zierfuß. Nach einem Jahr des Kennenlernens begannen die Dreharbeiten, doch das klassische Film-Set funktionierte nicht. Die Filmemacherin ließ ihre eigenen Vorstellungen los und vertraute ganz auf die Ideen und Gestaltungsentscheidungen von Elsa und Helena. Die Filmcrew verließ das Set, alle filmischen und kreativen Arbeiten übernahmen die drei selbst. Als Hauptdrehort diente die Wohnung von Sybille Bauer-Zierfuß, wo ein Zimmer speziell für das Projekt neu gestaltet wurde. 

So ist Alien ein Film über Autismus und Identität, der in die vielfältigen Erfahrungen von autistischen Menschen eintaucht und durch eine Kombination aus erzählerischen und dokumentarischen Elementen Zuschauer*innen einlädt, über die Komplexität von Kommunikation, Identität und menschlicher Erfahrung nachzudenken. Alien ist ein intergenerationales Werk, das mehr ist als nur ein Film: ein Raum für Sichtbarkeit, Aufklärung, Verständnis und Akzeptanz.

feminist perspectives