Freitag, 17. Oktober 2025
Symposium
trans*poetics
Vom Überschreiten, Erzählen und Werden
Tag 2
Das Symposium trans*poetics versammelt Autor*innen und Künstler*innen, deren radikales Denken und Schreiben nach kollektiven Ausdrucksformen und politischer Wirkkraft suchen und damit immer Einladung und Verpflichtung zugleich sind – ein Aufruf, vermeintlich festgeschriebene Identifizierungen infrage zu stellen und zu transformieren, und das Gebot zur Solidarität. Die bewusste Vermischung von theoretischer Reflexion und künstlerischer Praxis spielt dabei eine tragende Rolle. Die so erzeugte Wechselwirkung zwischen Theorie und Kunst eröffnet neue Perspektiven und Denkweisen, die nicht nur die Grenzen der jeweiligen Disziplinen überschreiten, sondern auch neue Formen des Wissens und des Ausdrucks hervorbringen. Das Theoretische und das Poetische – gerichtete Kräfte, die Allianzen eingehen und beim Symposium trans*poetics in Vorträgen, Performances und Gesprächen zur Diskussion gestellt und nachvollzogen werden wollen.
Va-Bene Elikem Fiatsi (crazinisT artisT) gibt Einblicke in ihre Praxis als Vorkämpferin für Queer-Rechte in Ghana und darüber hinaus. Weiters berichtet sie über ihre Arbeit als multidisziplinäre Artivistin, Artvangelistin, Kuratorin, Mentorin und Philanthropin. Ihre radikalen, stets von echter Empathie, Mitgefühl und Solidarität getragenen Performances regen die Teilnehmer*innen, Beobachter*innen und zufällig Anwesenden dazu an, sich über den weltweiten Aufstieg faschistischer Bewegungen Gedanken zu machen und gegen anti-queere Kräfte aufzutreten, die LGBTQIA+-Personen sowohl innerhalb als auch außerhalb Ghanas bedrohen. Als Gründerin und Leiterin von perfocraZe International Artist Residency (pIAR), Our Railway Cinema Gallery (ORCG) und crazinisT artisT studiO (TTO), allesamt Organisationen, die gegenwärtig aufgrund des geplanten Anti-LGBTQIA+-Gesetzes in Ghana gefährdet sind, geht Va-Bene auch auf die Genese ihres Engagements detailliert ein. Denn der Wechsel von der Malerei zur Performance bedeutete buchstäblich, ihren Körper weg von der Leinwand und auf die Straßen Ghanas zu verlagern, als Akt des Widerstands und Teil eines dekolonialen Prozesses. In ihrer Präsentation lenkt Va-Bene den Blick auf die Verfolgung der LGBTQIA+-Gemeinschaft in Ghana und den drakonischen Anti-LGBTQIA+-Gesetzentwurf mit seiner Zielsetzung, queere Menschen sowie deren Verbündete, Eltern, Vermieter*innen, Sympathisant*innen und andere ihnen Nahestehende zu kriminalisieren und ins Gefängnis zu bringen.
Alison Rumfitt liest aus ihrem noch in Arbeit befindlichen fiktionalen (?) Roman. Sie gibt Einblick in dessen Entstehungsgeschichte und spricht über einige der Probleme, die das ständige Bemühen, im Schreibprozess den aktuellen Zeitgeist zu treffen, mit sich bringt.
Die Lesung aus Francis’ seriell angelegtem Roman The Revolution Will Not Have Been Downloaded (Die Revolution wird nicht heruntergeladen worden sein) öffnet den Blick für Zusammenhänge zwischen gelebter trans Erfahrung und deren Repräsentation in literarischer Form. Im Wesentlichen eine umgekehrte Reisegeschichte, wirft TRWNHBD Fragen darüber auf, wie gängige literarische Zeit-Raum-Konzepte die Veränderungen und Kontinuitäten in Transitionsprozessen phänomenalisieren. Die koloniale Historie dieses Genres wird durch die zentrale „Handlungslücke“ in TRWNHBD offengelegt – einem buchstäblichen Krater in Barbados mit Codenamen „Metabolic Rift“. Dessen pure Existenz provoziert eine Kritik an drei Genres, die im Werk von trans Autor*innen erkennbar (oder von ihnen genannt) wurde: Autofiktion, Allegorie und Realismus.
Diese Lesung befasst sich mit zwei Gedichten mit gleichem Titel (Intersex) und Erscheinungsjahr (2015) von Juliana Huxtable und Aaron Apps. Sie bilden, wie ich näher erklären werde, den Abschluss meines diesen Sommer erschienenen Buchs Hermaphrodite Logic über die Geschichte der Intersex-Bewegung. Trotz der formalen Kontraste der beiden Werke (Huxtables Fassung als prophetische Engelsvision, Apps’ Memoir über sich selbst als Feindbild, ein geächteter folk devil) sprechen sie meines Erachtens als zusammenhängendes Ganzes: von der Eruption eines neuen Selbstbewusstseins, freigesetzt durch die Gegenkultur des späten 20. Jahrhunderts von den 1990er-Jahren bis 2025. Diese Herangehensweisen existieren daher sowohl im Widerspruch zueinander als auch in Harmonie (wie ihre jeweiligen Namen vermuten lassen). Oder, wie ich sagen würde: „Kurzum, Intersex gleitet durch die Geschichte der Hermaphroditen: von göttlichen Formen in Verschmelzung bis zur Auflösung der Vernunft (in der klerikalen, juristischen, klinischen Lehre).“ In Apps‘ Worten hingegen: „Intersex offenbart uns den monströsen Prozess, durch den Aaron sich selbst als Mensch entdeckt.“
Mit Va-Bene Elikem Fiatsi aka crazinisT artisT, Basyma Saad, D Mortimer, and Maxi Wallenhorst
Moderiert von Francis Ruyter und Nanna Heidenreich
In Zusammenarbeit mit Transkulturelle Studien, Universität für angewandte Kunst Wien
Kurator*innen: Eddie van Gemmern, Nanna Heidenreich, Franz Thalmair
Die Teilnahme ist mit Anmeldung kostenlos.
Bitte beachten Sie: Es ist eine gesonderte Anmeldung für beide Symposiumstage erforderlich. Hier geht es zum Programm und zur Anmeldung für Tag 1 (Donnerstag, 16. Oktober).