Donnerstag, 16. Oktober 2025
Symposium
trans*poetics
Vom Überschreiten, Erzählen und Werden
Tag 1
Das Symposium trans*poetics versammelt Autor*innen und Künstler*innen, deren radikales Denken und Schreiben nach kollektiven Ausdrucksformen und politischer Wirkkraft suchen und damit immer Einladung und Verpflichtung zugleich sind – ein Aufruf, vermeintlich festgeschriebene Identifizierungen infrage zu stellen und zu transformieren, und das Gebot zur Solidarität. Die bewusste Vermischung von theoretischer Reflexion und künstlerischer Praxis spielt dabei eine tragende Rolle. Die so erzeugte Wechselwirkung zwischen Theorie und Kunst eröffnet neue Perspektiven und Denkweisen, die nicht nur die Grenzen der jeweiligen Disziplinen überschreiten, sondern auch neue Formen des Wissens und des Ausdrucks hervorbringen. Das Theoretische und das Poetische – gerichtete Kräfte, die Allianzen eingehen und beim Symposium trans*poetics in Vorträgen, Performances und Gesprächen zur Diskussion gestellt und nachvollzogen werden wollen.
Nanna Heidenreich, Eddie van Gemmern, Franz Thalmair
D Mortimer ist Host einer Performance-Lesung und eines informellen Gesprächs, in dem „das komplexe Geflecht des trans/mad“ (C Awkward Rich, 2022) diskutiert wird.
Gegenwärtig lässt sich ohne Zweifel eine wachsende Toleranz gegenüber Faschismus und Brutalität beobachten. Inwiefern haben trans Schriftsteller*innen im englischsprachigen Raum auf Verrücktheit mit VerRücktheit reagiert? Und wie gehen wir als trans Künstler*innen und Schriftsteller*innen, ob bewusst oder unbewusst, in unserer poetischen Praxis darauf ein? Mortimer zufolge könnte ein aus dem Wahnsinn schöpfendes Denken und insbesondere „of“ [über] den Wahnsinn mögliche Ansätze für diese große Frage bieten. Ihr Beitrag zeigt auf, wie Performance einer Poetik des trans/mad Ausdruck verleiht. Mortimer zeigt uns, wie „wahnhaftes Schreiben“ offensichtlich und vielleicht weniger offensichtlich angewendet wird, und gibt Anregungen, wie wir mad-Methodiken auch in unsere eigene Praxis einfließen lassen können.
Der Gedanke an Cecilia Vicuñas Zeilen: A poem only becomes poetry when its structure / is made not of words but of forces (Ein Gedicht wird erst dann zur Poesie, wenn seine Struktur nicht aus Worten, sondern aus Kräften besteht), bewegt mich dazu, die Grenzen der Poesie in den Bereich der Performance zu verschieben. Ausgehend von der Praxis der dokumentarischen Poetik ist Sprache der Ausgangstext, von dem aus, sich gleichsam an einem Funken entzündend, die Performance choreografiert wird. Begleitet von viszeralen Brüchen, legt meine Performance-Praxis neue Schaltkreise zwischen der Sprache und dem Physischen.
Performative Lesung eines Drehbuchs von Isa Schieche mit Kristin Lerch, Jolanda Resch, Kaisa Pušnik, René Cormaniosi und Mathea Hoffmann. Fish ist eine filmische Analyse von trans als Geschäftsmodell und Spielplatz von cis Personen in einer kapitalistischen Ökonomie, in der Aufmerksamkeit eine zentrale Rolle einnimmt.
Moderiert von Francis Ruyter
Wenngleich es kein Entrinnen aus der gegenwärtigen Abwärtsspirale der globalen Zerstörung zu geben scheint, setze ich auf die Potenziale der Kunst, Ästhetik und kulturellen Intervention. Ich behaupte:
(1) Hohn und Spott sind die Ästhetik der Techno-Tyrannei. Sie stehen für einen politischen Paradigmenwechsel.
(2) Das neue Paradigma ist postmoralisch – und wir sollten uns lieber früher als später daran halten.
(3) Eine über die Katastrophe hinausgehende Vorstellungskraft zu kultivieren, ist eine unverzichtbare künstlerische Aufgabe. Eine Vorstellungskraft gegen die Herrschaft der Angst erkundet sämtliche Arten von Euphorie. Eine Vorstellungskraft gegen die Herrschaft des Privateigentums und immer restriktivere gesellschaftliche Übereinkünfte forscht nach Institutionen der Gastfreund*innenschaft. Eine Vorstellungskraft gegen den Raub unserer gemeinsamen Zukunft besteht auf der [durchgestrichenen „Zukunft”]. Eine Vorstellungskraft gegen die repräsentative Gerechtigkeit des neoliberalen Kapitalismus ist dezidiert trans-lesbisch. Jedem/r* sein/ihr* eigenes Geschlecht, je nach Bedürfnis. Los geht‘s.
Anschließendes Gespräch moderiert von Francis Ruyter
Cipher Press wurde 2020 als Verlagsplattform mit der Vision gegründet, mehr Aufmerksamkeit für die Werke und Stimmen von trans Autor*innen zu erzeugen. Verleger Jack Thompson spricht über Strategien zum Aufbau von Öffentlichkeit, etwa durch das Publizieren quer über die Grenzen von literarischer und Genre-Fiktion hinweg, zur Überwindung des „Vorher-Nachher“-Narrativs und darüber, inwiefern trans Schreibpraxen die Konventionen des Storytellings durchbrechen. Wo passen trans Geschichten in die breitere Verlagslandschaft hinein (oder eben nicht) und wie können wir als Herausgeber*innen ein nachhaltiges, sich stetig weiterentwickelndes trans Verlagsmodell in einer Branche aufbauen, die von starren Kategorien und cisnormativen Tendenzen geprägt ist? Wie können wir den Zugang zu diesen Geschichten in einer Gesellschaft sicherstellen, der daran gelegen ist, Erzählungen aus der trans Perspektive auszulöschen?
Früher hieß es, diese Stadt hätte den Sex erfunden, und lange Zeit kamen die Leute hierher, um ihn zu finden. Aber was passiert mit uns, wenn die Stadt – ein Ort wie Berlin – in sich zusammenfällt? Da fährt die Flaneurin auf ihrem Lime-Fahrrad vorbei, nur vom Geräusch des Gestohlenen geleitet. Die Träumerin* träumt vor sich hin, während sie* den Gerichtsbrief öffnet. Ein Gäst*innenzimmer verschwindet in der Erschöpfung. Wie finde ich dich wieder, durch Ghosting, mehr Muskelmasse, Echoortung? Ich habe dir das angetan. Du hast etwas in mich implantiert. Eine Romanze der Enttäuschung. Allegorien des Sex ohne die Stadt. Ich lese aus einem Werk, an dem ich gerade arbeite.
Lesung aus einer entstehenden Gedichtsammlung.
In Zusammenarbeit mit Transkulturelle Studien, Universität für angewandte Kunst Wien
Kurator*innen: Eddie van Gemmern, Nanna Heidenreich, Franz Thalmair
Die Teilnahme ist mit Anmeldung kostenlos. Bitte beachten Sie: Es ist eine gesonderte Anmeldung für beide Symposiumstage erforderlich. Hier geht es zum Programm und zur Anmeldung für Tag 2 (Freitag, 17. Oktober).