Video: ©Mart, Luca Rapetti, 2025
April 2023 bis März 2025
Projektabschluss The Floor Is Yours
The Floor Is Yours
Das zweijährige Projekt The Floor is Yours, das von April 2023 bis Mai 2025 drei Museen über Ländergrenzen miteinander und mit neuen Besucher:innengruppen verband, ist Fundament für eine innovative, europäische Museumspraxis. Drei Häuser, das Museum Boijmanns van Beuningen in Rotterdam, das MART in Rovereto und das mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, traten an, um den Museumsraum an diejenigen zu übergeben, die bisher wenig bis gar nicht mitentscheiden konnten. Möglich wurde dies durch die Förderung von CREATIVE EUROPE.
Das ausgesprochene Ziel war, einen Perspektivenwechsel und Strukturwandel innerhalb der Institutionen zu ermöglichen, denn Besucher:innen sind für unsere Museen nicht bloße Rezipient:innen, sondern aktive Mitgestalter:innen und Autor:innen musealer Erzählungen.
Jenseits der bloßen Rede über Veränderung zeigte sich dieses Vorhaben am deutlichsten in den neugedachten Residenzen. Statt Forscher:innen und Künstler:innen wurden hier Expert:innen aus neuen Bereichen eingeladen, Veränderungen in den unterschiedlichen Häusern selbst anzustoßen.
In Rotterdam etwa entwickelten junge Studierende der italienischen LABA-Akademie gemeinsam mit den gehörlosen Vermittler:innen vor Ort ein visuelles Kommunikationssystem für Veranstaltungen eben jener Community im Depot Boijmanns van Beuningen. In Rovereto gestalteten Sozialassistentinnen des Vereins NACHBARINNEN IN WIEN gemeinsam mit migrantischen Frauen einen Collagenworkshop in Fortunato Deperos Casa d’Arte mit anschließendem Elterngespräch zur näheren Beschäftigung mit familiären Stresssituationen.
In Wien wurde der Kreis geschlossen, in dem Expertinnen mit jahrelanger Erfahrung gehörloser Vermittlung ihr kritisches Auge auf Praxis und Möglichkeiten ebensolcher Formate in Wien richteten. Jede Residenz schuf greifbare Ergebnisse, neue Logos, Prototypen neuer Workshops, Strukturen zur Reduktion von Barrieren und nicht zuletzt institutionelle Veränderungen mit all den Schwierigkeiten, Herausforderungen und Problemen, die mit echter Veränderung einhergehen. Immer aber wurde auf menschlicher, professioneller und institutioneller Ebene immaterielles Wissen über Zusammenarbeit geschaffen.
Mittels Diskussion und gemeinsamer Beratung wurde bei der finalen Veranstaltung im März 2025, dem Symposium im Depot Boijmanns van Beuningen, zwischen Vertreter:innen aller beteiligten Communities und den verschiedenen Museumsmitarbeiter:innen folgende Lehren gezogen. Insofern dies möglich ist, repräsentieren die folgenden Leitsätze die Quintessenz einer intensiven Zusammenarbeit und ehrlicher Auseinandersetzung mit den wichtigsten Grundsätzen der Zusammenarbeit zwischen außermusealen Expert:innen und Institutionen:
Echte Motivation und Engagement von Beginn an braucht eine klare gemeinsame Sinnstiftung. Alle Beteiligten, ob Museumsmitarbeitende, externe Expertinnen, Community‑Vertreterinnen, sie alle müssen erkennen, wie ihre jeweiligen Interessen im Projekt aufgehoben sind. Wo dieses Bewusstsein fehlte, lief die Zusammenarbeit ins Leere; wo es gegeben war, entstanden innerhalb weniger Tage zukunftsweisende Kooperationen.
Um die Arbeit mit verschiedenen Communities nachhaltig zu gestalten, ist der Aufbau langfristiger Beziehungen unerlässlich. Vertrauen wächst nicht in einem Workshop, sondern in wiederholten Begegnungen, beim gemeinsamen Mittagessen oder in spontanen Stadtspaziergängen. Das Projekt zeigte, dass erst nach rund zwei Jahren ein echter Dialog auf Augenhöhe möglich war, was ein wertvoller Hinweis für Institutionen ist, die oft kurzfristige Projektlogiken verfolgen.
Von zentraler Wichtigkeit war die Erkenntnis, dass partizipative Arbeit Aufgeschlossenheit gegenüber Prozessen ohne garantiertes Ergebnis braucht. Die Absage, Probleme und Fehler gehören zur Veränderung und bieten Möglichkeiten einer Lernerfahrung sowie einer Basis zur echten Veränderung.
Die Basis einer jeden Co-Kreation ist das Zuhören. In allen drei Städten wurden die Workshops erst nach Gesprächen mit den Teilnehmenden konzipiert. Das in Rovereto eingesetzte zweisprachige Format (Arabisch/Deutsch) entstand direkt aus den Wünschen der eingeladenen Frauen. Zuhören öffnete Räume, in denen sich Menschen sicher genug fühlten, ihre eigenen Geschichten einzubringen.
Um die Arbeit mit Communitys in der Museumsarbeit zu verankern, genügt es nicht, diese nur zu konsultieren, sondern ihre Expertise muss institutionell anerkannt werden. Die Deaf Community in Rotterdam legte nicht nur Feedbackschleifen ein, sondern bestimmte das visuelle Vokabular des Flyers. Dadurch verschob sich die Autor:innenschaft sichtbar von der Institution zum Publikum. Vertreter:innen der Gemeinschaft müssen aber auch an Entscheidungen beteiligt sein. Dort, wo sie in wichtigen Planungsfragen mitbestimmten, entstanden nachhaltige Strukturen.
Inklusion bedingt ein Engagement aller Museumsabteilungen. Erst ein ganzheitliches Verständnis verhinderte symbolische Gesten und führte zu spürbaren Veränderungen im Alltag der Häuser.
The Floor is Yours hat damit mehr hervorgebracht als drei exemplarische Projekte. Es hat ein Verfahren entwickelt, das anderen Museen als Blaupause dienen kann: Ziele gemeinsam definieren, Beziehungen pflegen, offenbleiben, zuhören, Expertise teilen, Verantwortung abgeben und institutionell verankern. Wer diese Schritte beherzigt, schafft Programme, die nicht nur über Inklusion sprechen, sondern sie erlebbar machen und damit den Museumsboden tatsächlich für alle öffnen.
Ausblick auf daraus resultierende Programme im mumok
Im Rahmen der erfolgreichen Zusammenarbeit mit der ÖGS-Expertin Elke Schaumberger wird das inklusive Vermittlungsangebot im Herbst 2025 weiter ausgebaut. Aufbauend auf einem vielversprechenden Prototyp, werden mit fachlicher Unterstützung der Kunstpädagogin Lena Schramek spezielle Workshoptermine für gehörlose Schulklassen etabliert. Der erste Workshop-Vormittag mit Schüler:innen und Pädagog:innen des Bundesinstituts für Gehörlosenbildung (BIG) im Juni 2025 war ein großer Erfolg, weitere Termine folgen ab September.
Ergänzend dazu werden gebärdensprachlich übersetzte Kurator:innenführungen sowie rein in Gebärdensprache konzipierte Vermittlungsformate langfristig in das Programm aufgenommen.
Ein weiterer Meilenstein der Inklusionsstrategie ist die Kooperation mit einem Inklusionspädagogen für Blinde und Sehbehinderte. Er wird in Zusammenarbeit mit der Sammlung und Vermittlung barrierefreie Leitsysteme für Ausstellungen entwickeln und fördert den Einsatz von 3D-gescannten Kunstwerken aus der Sammlung Ludwig mit dem Ziel, neue inklusive Zugänge zur Sammlung und deren Vermittlung zu ermöglichen.
Parallel dazu übernimmt der Verein NACHBARINNEN in Wien die Gestaltung des Projektraums der Ausstellung Nie endgültig! Das Museum im Wandel“ Dies stellt einen weiteren Schritt in der langjährigen Zusammenarbeit zwischen den NACHBARINNEN und dem mumok dar. Wie bereits bei der Ausstellung im Jahr 2023 wird die kuratorische und räumliche Autor:innenschaft konsequent mit Community‑Partner:innen geteilt.
Das Projekt wurde durch den Beitrag des Förderprogramms Creative Europe 2021–2027 Culture and Creativity ermöglicht.
Das Projekt wurde von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die der Autor*innen und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für diese verantwortlich gemacht werden.