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mumok collects | 15.5.2020
Das Archiv von Kurt Kren im mumok
Kurt Kren, der international bekannte Filmemacher aus Österreich, hat seine Filme und auch sein privates Archiv der Republik Österreich überlassen. Seit 2018 betreut das mumok den archivarischen Teil des Nachlasses und konnte dadurch neue Einblicke in das Leben des Künstlers gewinnen. Hauptsächlich aus Korrespondenz und schriftlichen Aufzeichnungen bestehend, zeichnet das Archiv das Bild eines allseits geschätzten Menschen, der in der alternativen Filmszene schon zu Lebzeiten anerkannt war und dessen Werk schon früh zu den Meilensteinen der Filmgeschichte gezählt wurde. Es verdeutlicht aber auch, welch karges und entbehrungsreiches Leben Kren meistern musste. Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und die Geringschätzung seines Schaffens gehörten dazu.
Kren wurde 1929 in Wien geboren, überstand den Zweiten Weltkrieg in Rotterdam und bekam, als er 1947 nach Wien zurückkehrte, eine Stelle in der österreichischen Nationalbank. Schon in den 1950er-Jahren begann er zu filmen, ab den 1960er-Jahren nummerierte er seine Filme chronologisch. Er war eng mit der Wiener Kunstszene verbunden, nahm auch an der Performance Kunst und Revolution teil, woraufhin seine Filme von der Polizei beschlagnahmt wurden. Nach einigen Jahren in Köln zog Kren 1978 für elf Jahre in die Vereinigten Staaten. Ohne Job und festen Wohnsitz lebte er in prekären Verhältnissen, die sich erst mit der Anstellung als Sicherheitsmitarbeiter im Museum of Fine Arts, Houston stabilisierte. 1989 kehrte Kren nach Wien zurück. 1996, zwei Jahre vor seinem Tod, widmete ihm die Wiener Secession, deren ordentliches Mitglied er seit 1978 war, eine Retrospektive mit begleitendem Katalog.
Der archivarische Nachlass besteht aus mehreren tausend Einzelstücken. Er umfasst Bücher, VHS-Kassetten, Tagebücher und Kalender, Dokumente wie Rechnungen, Verträge und Vereinbarungen, umfangreiche Korrespondenz, Notizbücher und Entwürfe zu seinen Filmen, Titelblätter, die er für seine Filme abfilmte, Werbematerial zu Veranstaltungen sowie Plakate und Flyer und einzelne Gegenstände wie Krens Lederjacke. Auch Teile aus dem künstlerischen Schaffen Krens sind im Nachlass zu finden. Neben zahlreichen noch kaum erforschten Fotografien bilden die Partituren das Highlight. Darunter verstand Kren Zeichnungen, Formeln und Diagramme, die er entworfen hat, um das Konzept und die Struktur seiner Filme visuell darzustellen. Jedes Blatt ist in Form und Inhalt einzigartig und an den jeweiligen Film angepasst und zeugt von Krens unglaublich detaillierter und konsequenter Arbeitsweise.
Der Nachlass bietet auch überraschende neue Erkenntnisse: So wird ersichtlich, dass Kren unglaublich früh sehr computeraffin und an digitalen Medien interessiert war. Schon in den 1980er-Jahren, vor Etablierung des Internets, kommunizierte er digital. Er hatte einen CompuServ- und einen MausNet-Zugang, war Mitglied bei The Thing Vienna und netbase t0. Schon in den 1990er-Jahren stellte er Teile seines Schaffens im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung und diskutierte in Foren.
Die vollständige Inventarisierung und Digitalisierung des Archives stehen kurz vor dem Abschluss. Eine tiefgehende wissenschaftliche Aufarbeitung des Materials ist sehr vielversprechend. Erwartet wird, dass etablierte Theorien zu Krens Werk untermauert, ebenso aber auch neue Sichtweisen, Schwerpunkte und Verbindungen aufgezeigt werden können. Wir sind gespannt, was wir entdecken werden.
Übrigens: Ein kleiner Teil des Archives konnte bereits 2018 in der Ausstellung Film und mehr. Aus den Archiven von Kurt Kren und Ernst Schmidt jr. im mumok gezeigt werden. Hier sind weitere Informationen zur Ausstellung und ein kurzes Einführungsvideo zu finden.
Nora Linser