Dienstag bis Sonntag
10 bis 18 Uhr
mumok Perspektiven
Mapping the 60s
Perspektive zu
In den über 30 Jahren, die der Regisseur Jef Cornelis für den belgischen Rundfunk BRT tätig war, realisierte er über 200 Filme. In vielen davon, insbesondere in seinen frühen, bis Anfang der 1970er-Jahre entstandenen Arbeiten, beschäftigt er sich mit der bildenden Kunst. 1968 widmete Cornelis einen seiner Filme der documenta 4 in Kassel. Er lässt dabei viele der damaligen Protagonist*innen zu Wort kommen, etwa Verantwortliche wie den documenta-Gründer Arnold Bode oder auch Jean Leering, den jungen Direktor des Van Abbemuseum in Eindhoven, der in den documenta-Rat berufen worden war, um die Ausstellung zu verjüngen. Dazu kommen Kunstkritiker wie Pierre Restany, die Galeristin Denise René oder der Kurator Harald Szeemann, der 1972 für die folgende documenta 5 verantwortlich zeichnen sollte. Vor allem aber lässt Cornelis die beteiligten Künstler*innen zu Wort kommen.
Der Film fängt Eindrücke vom Aufbau der Ausstellung ein, bildet aber auch die Kontroversen ab, die sich an der documenta 4 entzünden. In einzelnen Interviews mit Christo, Joseph Beuys, Sol LeWitt und Robert Rauschenberg hebt Cornelis künstlerische Beiträge zur Ausstellung exemplarisch hervor. Immer wieder werden in den Gesprächen dabei auch die dahinterstehenden Ansätze, Herangehens- weisen und teilweise auch die Produktionszusammenhänge deutlich. Da Cornelis insbesondere auch den Unmut einiger Künstler*innen einfängt, entsteht ein differenziertes Stimmungsbild. Neben naheliegenden Auseinandersetzungen, wie Disputen über bessere Platzierung und vermeintliche Bevorzugung, werden auch die größeren Bruchlinien der damaligen Zeit sichtbar, wie sie sich vor allem entlang der Frage nach der Politisierung von Kunst auftun. Wo die einen ein im engeren Sinne politisch verstandenes Argumentieren und Ringen um Positionierung vertreten, bedienen die anderen sich eher geschmeidig-ironischer und bisweilen hintergründig-kritischer Affirmation.
Deutlich werden immer wieder auch größere strukturelle Herausforderungen, wie etwa die Frage nach der Unmöglichkeit belastbarer Kriterien bei der Bewertung aktueller und gegenwärtiger Kunst und die daraus folgende Prekarität der Auswahlentscheidungen, die veränderte Rolle von Museen sowie die wiederholt geäußerte Kritik an der Marktgängigkeit einiger Positionen und dem allgemeinen Einfluss des Kunsthandels. Vieles davon klingt erstaunlich aktuell. Cornelis’ Film liefert ein einzigartiges Zeitdokument, das anhand der künstlerischen Produktion und ihrer Präsentation widerstrebende Tendenzen und virulente Fragen der Zeit greifbar macht.