Die in Belgien geborene Künstlerin Evelyne Axell (1935-1972) war mit ihren oftmals sinnlich aufgeladenen Werken und Performances in den 1960er-Jahren eine der wenigen zu Lebzeiten erfolgreichen Frauen in der europäischen Pop Art. Über ihren Bezug zur Pop Art sagte Axell selbst, sie möchte „freie Bilder schaffen, die jede Art der Leidenschaft abbilden und zugleich so brillant sind, dass sie den Appetit der Massen anregen“.
Der damals einflussreiche Kritiker Pierre Restany sah in Axell gar eine Vorreiterin der sexuellen Revolution in der Kunst. Dadurch, dass sie in ihren Arbeiten eine dezidiert weibliche Perspektive auf einen oftmals weiblichen Körper einnahm und ihn jenseits männlicher Projektion, aber nicht ohne erotisches Begehren zeigte. Der frühe Tod der Künstlerin durch einen Autounfall 1972 setzte ihrem Schaffen jedoch ein jähes Ende.
Axells Le Glacier ist eines der letzten Gemälde, das sie vor ihrem Unfalltod realisieren sollte. Es entstammt einer Werkphase, in der sich Axell – ihrer Zeit voraus – intensiv mit ökologischen Fragestellungen befasste. Wie viele ihrer damaligen Werke ist es in Emaille auf Plexiglas und Formica ausgeführt – eine Materialwahl, die der Arbeit ganz im Sinne der Pop Art eine glänzende, die Oberfläche betonende Anmutung gibt. Das Motiv, gemalt nach einer Fotografie, die der Sohn der Künstlerin am Jägersee im Salzburger Land aufgenommen hat, erstreckt sich bis auf den Rahmen und zeigt eine Berglandschaft mit Gipfel, Wasserfall, Bergsee und Blumen. Es ist eine unberührte Landschaft, die zu einer psychedelisch-artifiziellen Schablone wird. Hochstilisiert mit seinen knalligen, flächig aufgetragenen Farben kehrt diese Arbeit das Surreale, mitunter das Künstliche und nicht zuletzt das medial Vermittelte der vermeintlich alpinen Idylle nach außen.