Die Nonne, Künstlerin, Lehrerin, Philosophin und politische Aktivistin Corita Kent ist eine der ungewöhnlichsten Künstler*innen der Pop-Art-Ära. Geboren 1918 in Iowa, trat Kent bereits als Jugendliche in den katholischen Orden des „Immaculate Heart of Mary“ ein, dessen Mitglied sie unter dem Namen Sister Corita bis 1968 bleiben sollte. Der Orden war verhältnismäßig liberal und weltlich ausgerichtet, Bildungsarbeit und künstlerische Tätigkeit nahmen einen großen Raum ein. Als Mitglied und später Leiterin des Bereichs bildende Kunst wurde Kent damals schnell über die Grenzen des Ordens hinaus bekannt. Schon früh wandte sie sich dem Siebdruck zu, einer unkomplizierten, billigen und leicht zu bedienenden Reproduktionstechnik. Damals war der Siebdruck vor allem in der Werbung und im Grafikdesign verbreitet, in der bildenden Kunst im engeren Sinne aber noch lange nicht so akzeptiert, wie er das heute ist.
Für ihre farbenfrohen Siebdrucke appropriierte Kent teilweise direkt die Sprache und Gestaltung ihres urbanen Umfelds, bediente sich an Werbeplakaten, Straßenschildern oder den Verpackungen von Konsumgütern. Sie verfremdete dieses Ursprungsmaterial, beschnitt es oder kombinierte es neu, um damit zugängliche und ansprechende Text-Bild-Collagen zu schaffen – oft genug mit dem Anliegen, die christliche Botschaft unter die Menschen zu bringen.
Die visuellen Mittel der kapitalistisch verfassten Konsumgesellschaft setzte Kent in den späten 1960er-Jahren auch dazu ein, um dezidiert gegen den Vietnamkrieg oder Ungerechtigkeiten im Hinblick auf Race in den USA Stellung zu beziehen. Die Arbeiten, die nach ihrem Austritt aus dem Orden entstanden, treten mit ihren losgelösten Farben und den nun eher allgemein formulierten Textbotschaften jedoch wieder einen Schritt zurück. Kents Siebdrucke aus den 1960er-Jahren, deren Aussagen oft genug am Schnittpunkt von katholischer Soziallehre und der Antikriegs- und Dropout-Rhetorik der US-amerikanischen Gegenkultur dieser Jahre stehen, können als eindrückliches Beispiel für die politische Aufladung und Indienstnahme der eingänglichen Bildsprache der Pop Art gelten.