Mit ihren teilweise großformatigen, akribisch ausgeführten geometrischen Schwarzweißmalereien avancierte die britische Künstlerin Bridget Riley im Verlauf der 1960er-Jahre zu einer der zentralen Figuren einer Spielart abstrakter Kunst, die ihren Schwerpunkt auf die Wahrnehmung des Bildes im Auge der Betrachter*innen legte. Diese Kunstrichtung, die bald als „optische Kunst“ oder Op Art bekannt wurde, setzte auf diverse optische Effekte, um auf Seiten der Betrachter*innen Flimmereffekte, optische Täuschungen oder die Vorstellung von Bewegung hervorzurufen. Mit ihren flirrenden Linien, geschwungenen Wellenformen oder langsam aber stetig systematisch modulierten geometrischen Basisformen, welche die Unterscheidung zwischen Vorder- und Hintergrund oft genug aufhoben, gelang es Riley in ihren Arbeiten, die materielle Basis des Bildes in der Betrachtung aufzulösen. Eine, wenn man so will, weitere Spielart des „Ausstiegs aus dem Bild“, wie er so zentral für die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist.
Das Mappenwerk Nineteen Greys entstand 1968. Riley war in diesem Jahr ungewöhnlich präsent – als eine von nur fünf weiblichen Positionen war sie auf der documenta 4 in Kassel und kurz davor auf der Biennale di Venezia mit dem Internationalen Preis für Malerei ausgezeichnet worden. Auch in ihrer Arbeit selbst zeichnete sich damals ein Wendepunkt ab. Ab 1967 hatte Riley begonnen, die strenge Beschränkung auf harte Schwarzweißkontraste schrittweise aufzugeben und ihre strengen Muster und Sequenzen zunehmend in Farbe auszuführen. An diese für sie neue Beschäftigung mit der malerischen Kategorie der Farbe tastete sich Riley zunächst langsam über den Einsatz von Grautönen und -abstufungen heran. Nineteen Greys – wie im Übrigen auch die formal beinahe identische Serie Deny aus dem vorangegangenen Jahr – zeigt auf vier quadratischen Bildflächen in unterschiedlichen monochromen Grautönen ein Muster regelmäßig angeordneter ovaler Punkte. Diese Ovale werden schrittweise gedreht, die Farbwerte werden sukzessive heller oder dunkler. Im Auge der Betrachter*innen entsteht die Illusion räumlicher Tiefe, zeigen sich spezifische Formen, die sich aus den Punkten zusammensetzen und fängt das Bild sogar an, sich zu bewegen.