Dienstag bis Sonntag
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„1961 schoss ich auf Papa, alle Männer, kleine Männer, große Männer, bedeutende Männer, dicke Männer, Männer, meinen Bruder, die Gesellschaft, die Kirche, den Konvent, die Schule, meine Familie, meine Mutter, alle Männer, Papa, auf mich selbst, auf Männer. Ich schoss, weil es Spaß machte, mir ein tolles Gefühl gab. Ich habe das Gemälde getötet. Es ist wiedergeboren, Krieg ohne Opfer.“ Seit Mitte der 1950er Jahre realisierte die Autodidaktin Niki de Saint-Phalle Gipsreliefs und Materialassemblagen. 1960 wurde sie in die Gruppe der Nouveaux Réalistes aufgenommen und stellte ein Jahr danach in Paris ihre ersten Schießbilder vor. Für Arbeiten wie „Tir“ ließ de Saint-Phalle Farbbeutel und Alltagsobjekte, hier Gläser, sowie eine Brotschneidemaschine, in ein weißes Gipsrelief ein. Ihre endgültige Farbe und Form erhielten die Bilder jedoch erst, als die Künstlerin sie im Rahmen von inszenierten Schießaktionen zur Zielscheiben machte. Die Gewehrprojektile ließen die unter der Gipsdecke verborgenen Behältnisse platzen und gaben dem Farbstrom freien Lauf. Der künstlerischen Kontrolle entzogen, durchtränkten die unregelmäßig herabsickernden Farbstreifen den Gipsgrund und ließen informelle farbige Reliefs entstehen. Für die in einem strengen katholischen Elternhaus aufgewachsene de Saint-Phalle waren diese Aktionen auch Ventil für ihre Aggression gegen das Patriarchat und ein Akt therapeutischer Selbstbefreiung. Darüber hinaus gelten die Schießbilder als Bindeglied zwischen der gestischen Malerei etwa eines Jackson Pollock und der Aktionskunst der 1960er- Jahre.