Samstag, 5. Oktober: Regulär geöffnet von 10 bis 18 Uhr, ORF Lange Nacht der Museen von 18 bis 24 Uhr (nur mit Lange Nacht der Museen Ticket).
Im Kontext der Entdeckung außereuropäischer Kunst bricht André Derain anhand des „Kauernden“ 1907 radikal mit der skulpturalen Tradition des 19. Jahrhunderts, die vor allem von Auguste Rodin geprägt war. Jenseits akademischer Schönheitsideale erschafft er mit wenigen Markierungen eine menschlichen Figur, die gegenüber dem Materialblock als übergeordnetem Formprinzip zurücktritt, ein Aspekt, der an präkolumbianische Vorbilder erinnert. In einem neuen Materialverständnis wendet sich Derain von Guss- und Modelliertechniken ab um zur unmittelbaren Bearbeitung des Materials, der „taille directe“ zurückzukehren. Statt dem akademischen Procedere, in dem der Bildhauer erst einen Entwurf anfertigt, in Gips übersetzt und die endgültige Ausführung einem Handwerker überträgt, sind hier Künstler und Handwerker, Entwurf und Ausführung ident. Dies erlaubt ein viel instinktiveres, direkteres Arbeiten, bei dem die Handschriftlichkeit des Künstlers vorrangig ist. Stehengelassene Meißelspuren legen den Gestaltungsprozess offen und verleihen der Skulptur ein „non finito“. „Der Kauernde“ erschließt sich keinem totalisierenden Blick, da die einzelnen Fassaden des Kubus relative Autonomie genießen. Arme mit großen stilisierten Händen, die wie eckige Klammern ineinander gefügt sind, umspannen das Körperpaket, in das der Kopf versenkt ist. So entsteht der Eindruck einer komprimierten Energie, die im Spannungsverhältnis zum abstrakten Materialblock steht, dessen geometrische Strenge nur an den Seiten und der Wirbelsäule ein wenig ins Organische aufgelockert wird. Im Sommer 1907 entstanden, ist André Derains Skulptur eines der ersten frühkubistischen Werke überhaupt, das mit der Betonung des mystischen „in-sich-seins“ noch die Nähe zur symbolistischen Kunst erkennen lässt.