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16.1.2019

Third from the Sun. Ansichten und Aussichten des Anthropozäns

Third from the Sun. Ansichten und Aussichten des Anthropozäns

 

Hausgemachte Katastrophe oder kosmischer Witz? Dem Planeten geht es gar nicht gut, und das zeigt sich jeden Tag deutlicher. Bilder von Müllbergen, Plastik im Meer und neuerdings den dramatischen Auswirkungen der Erderwärmung lassen nichts Gutes für eine zusehends schwindende Zukunft erahnen. Zu Beginn der 2000er-Jahre hat der niederländische Chemiker Paul Crutzen für die unabweislichen Spuren, die der Mensch auf der Erde und in der Atmosphäre hinterlässt, den Begriff „Anthropozän“ geprägt. Seither widmen sich auch Künstler_innen und Filmemacher_innen verstärkt dieser immer drastischeren Gemengelage, deren tiefere Gründe oft vertrackter sind als die vielen augenscheinlichen Öko-Desaster dies vermuten lassen.

 

In vier Teilen geht das Programm Third from the Sun künstlerischen Ansätzen nach, die Symptome, Ausprägungen und Auswirkungen des Anthropozäns konkret sichtbar machen. Im Mittelpunkt stehen dabei weniger mahnende oder vor den Kopf stoßende Katastrophenbilder als vielmehr Formen der Verwicklung in größtenteils unumkehrbare Prozesse. Teil eins (Dark Star – Nach der Katastrophe) bringt Einschreibungen des Menschen in die Umwelt, auch anhand von visionären Gegenbildern, zur Anschauung. Der zweite Teil (Earthbound – Widrige Naturen) untersucht Eigensinn und Widerständigkeit auf Seiten des „Natürlichen“, wobei die Position des immer noch herrschaftlichen Menschensubjekts nicht ausgespart bleibt. Teil drei (Electric Warriors – Letzte Menschen) geht näher auf die Aussichten, Absichten und Antizipationen dieses Subjekts ein, das – unter sich zuspitzenden Bedingungen – immer mehr ins Abseits zu geraten droht, dies aber auch als Chance begreifen könnte. Im vierten Teil schließlich (Stone Free – Die Zeit, die bleibt) soll die Latenz bzw. Potenzialität dessen erwogen werden, was noch nicht Wirklichkeit geworden ist, aber Funken der Veränderung in Bezug auf unser herkömmliches Natur- und Umweltverständnis in sich trägt. Planet Earth is blue, and there’s nothing we can do?

 

Kuratiert von Christian Höller

 

 


Teil 1: Dark Star – Nach der Katastrophe

 

Die Katastrophe steht nicht unmittelbar bevor, sie ist schon lange eingetreten. Jetzt gilt es mit den Konsequenzen zu leben oder die richtigen Schlüsse zu ziehen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Deep Weather nennt Ursula Biemann ihren Befund, den sie in essayistischer Form von den Gewässern Alaskas und dem steigenden Meeresspiegel in Bangladesch herleitet. Sasha Litvintseva und Daniel Mann setzen in Salarium ihre Probebohrung am Toten Meer an und versuchen dem Phänomen sich plötzlich auftuender Erdlöcher auf die Spur zu kommen. Wie sich Plastikmüll im indonesischen Meer kurzerhand zu absurd anmutenden lebensrettenden Inseln umfunktionieren lässt, demonstriert Tita Salina in ihrer poetischen Versuchsanordnung The 1001st Island. Lukas Marxt schließlich inszeniert minimal-metaphorisch die menschliche Einschreibung in die Natur (Circular Inscription), während sein Film Imperial Valley (cultivated run-off) ein fundamentales Prinzip des Anthropozäns aus der Vogelperspektive einfängt: die herrschaftliche Zurichtung eines Streifen Landes, dessen monokulturelle Rasterung fatale Folgen zeitigt.

 

 

Programm

 

Ursula Biemann, Deep Weather, 2013, 9 min
Tita Salina, The 1001st Island – The Most Sustainable Island in Archipelago, 2015, 14 min
Lukas Marxt, Circular Inscription, 2016, 7 min
Sasha Litvintseva, Daniel Mann, Salarium, 2017, 42 min
Lukas Marxt, Imperial Valley (cultivated run-off), 2018, 14 min

 

Vorgestellt von Christian Höller, anschließend Gespräch mit Lukas Marxt

 

Christian Höller ist Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift springerin – Hefte für Gegenwartskunst.

 

Lukas Marxt lebt in Köln. Ausstellungen/Festivals (Auswahl): Reign of Silence, Torrance Art Museum, Los Angeles (2018); Berlinale – Internationale Filmfestspiele Berlin (2018); Raum D: Digitale Projekte, mit Vanja Smiljanic, Künstlerhaus, Graz (2018); Curtas Vila do Conde, Vila do Conde (2018).