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15.5.2019
2009 – Der blinde Fleck ist die jüngste Vergangenheit
Programmreihe kuratiert von Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien in Zusammenarbeit mit Diedrich Diederichsen
Gegenwartskunde und Gegenwartsdiagnose werden gerade im Kunstzusammenhang meist verstanden als eine zukunftsorientierte Bestandsaufnahme der Jetztzeit, des Heutigen. Die Kunstgeschichte lässt traditionellerweise keine Gegenstände zu, die neuer als 50 Jahre alt sind. Damit bleibt ein dunkler Zeitraum zwischen 1969 und 2019, mit dem sich keine Wissenschaft beschäftigt; zumal auch die Retro- und Nostalgiemoden meist nur das genau 20 Jahre Alte aufbereiten (und frühere Zeiträume: die psychedelischen 1960er-Jahre oder die bleiern-bunten 1970er haben schon einige Zyklen durchgemacht). Zu den Problemen unseres Zeitbezugs gehört, dass gerade begonnene, aber nur langfristig vielversprechende Projekte liegen bleiben und vergessen werden, und damit auch das Bewusstsein dafür, was – politisch, gesellschaftlich – zu schaffen ist. Zehn Jahre zurückgeblickt: Was wissen wir heute noch davon, wie ist es weitergegangen, gibt es ein Archiv? 2009 stand nicht zuletzt im Zeichen der Finanzkrise und einer damit einhergehenden neuen und grundsätzlichen Kapitalismuskritik, was ist davon geblieben? Und: Der erste afroamerikanische Präsident trat sein Amt an. Das Programm möchte zwischen historischem Wissen und Gegenwartswissen vermitteln, gerade in Bezug auf Dauer, Prozesse und Erfolge – als Kategorien politischen, projektorientierten Denkens.
Teil 1: Bloß weil ich friere, ist noch lange nicht Winter
Der Song mit dem Titel Bloß weil ich friere, ist noch lang nicht Winter der Goldenen Zitronen aus dem Jahr 2009 ist eine atmosphärische Referenz für eine Auswahl an Kurzfilmen, anhand derer sich einige zeitspezifische Fragen des Jahres aufwerfen lassen: Welche Formen (politischen) Widerstands sind im unmittelbaren Schockzustand der (Post-)Finanzkrise von 2008 weiterhin verhandelbar und möglich, wie gestalten sie sich neu? Bieten alternative narrative Strukturen ein mögliches Außen von neoliberalen Verwertungslogiken? Sind Antworten in der Vergangenheit zu suchen oder sind sie überhaupt erst in einem zukunftsgerichteten Blick auf neue Kommunikationstechniken zu finden?
Melanie Gilligan, Crisis in the Credit System – Episode 1, 2008, 8 min
Steffani Jemison, Maniac Chase, 2008-2009, 3 min
Jean-Marie Straub, Joachim Gatti, 2009, 2 min
Apichatpong Weerasethakul, A Letter to Uncle Boonmee, 2009, 18 min
Jonas Mekas, I Leave Chelsea Hotel, 1967/2009, 4 min
Cyprien Gaillard, Cities of Gold and Mirrors, 2009, 9 min
Nicolette Krebitz, Die Unvollendete, 2009, 15 min
Jon Rafman, Kool-Aid Man in Second Life – Tour Promo, 2009, 12 min
Laure Prouvost, Monolog, 2009, 9 min
Kuratiert und vorgestellt von Jacqueline Grassmann, Leonie Huber und Inga Thiele
Diedrich Diederichsen lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien Theorie, Praxis und Vermittlung von Gegenwartskunst. Letzte Veröffentlichungen: Körpertreffer: Zur Ästhetik der nachpopulären Künste, Berlin 2017; Über Pop-Musik, Köln 2014. Lebt in Ottakring und Schöneberg.
Die Programmreihe findet im Rahmen der Lehrveranstaltung 2009 – Vor zehn Jahren von Diedrich Diederichsen an der Akademie der bildenden Künste Wien statt.
Teil 2 der Programmreihe findet am 5. Juni 2019 statt.