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Dienstag bis Sonntag

10 bis 18 Uhr




04.12.2015

„Aber etwas fehlt. But something’s missing.“

„Aber etwas fehlt. But something’s missing.“

„Aber etwas fehlt!“, insistiert Paul Ackermann, eine der Zentralfiguren von Bert Brechts Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930), gegenüber seinen das Leben feiernden FreundInnen. Inmitten dieser Hochburg des Vergnügens, der „Netzestadt“ Mahagonny, die die Arbeit abgeschafft hat und in der für Geld jeder Spaß zu kaufen ist, verspürt Paul Ackermann einen Phantomschmerz. Heute scheint die Situation, die Brechts Mahagonny ausmalt, durchaus realistisch: die Existenz einer Welt, in der Arbeit nicht mehr den Kern der gesellschaftlichen Synthese bildet und in der es dennoch keinen Grund zum Feiern gibt.


Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts waren VertreterInnen der marxistischen Kunstgeschichte wie Lu Märten, Arnold Hauser, Meyer Schapiro, T. J. Clark, Carol Duncan oder Linda Nochlin entscheidende ImpulsgeberInnen für die Verknüpfung gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen mit der Frage nach der Relevanz der Kunst. Es war die marxistische Kritik, die das Produktionsumfeld der Werke und ihrer ErzeugerInnen in die Kunst hineinzog und damit die Kunst aus der gesellschaftlichen Isolation der repräsentativen Exzellenz herausführte.


Die globale Krise, die seit 2008 anhält, hat die Ausgangslage verändert: Sie ist keine Krise der Arbeit, sondern eine ihrer Finanzialisierung; menschliche Arbeitskraft scheint darin nur mehr ein sekundärer Faktor zu sein. Wie lässt sich unter diesen Vorzeichen eine materialistische Kunstgeschichte praktizieren, deren Methodologien doch immer zentral auf die synthetische Kraft der Arbeit aufbauten? Gilt es, die Arbeit wieder ins Zentrum der gesellschaftlichen Wahrnehmung zurückzubringen? Oder lässt sich ein Materialismus denken, der Kunst jenseits der Arbeit diskutiert?


Aber etwas fehlt. But something’s missing. will die Produktivität einer aktualisierten materialistischen Kunstgeschichte für die Gegenwartskunst behaupten und sich deshalb im Rahmen von Vorträgen und Diskussionen explizit jenen Kunstgeschichten widmen, die seit den 1960er-Jahren materialistische Ansätze zum Ausgangspunkt ihres Kunstverständnisses gemacht haben. Die Befragung der Geschichte(n) der marxistischen Kunstgeschichte – ihrer politischen und ästhetischen Parameter – soll mögliche Wege in die Gegenwart aufzeigen. Dabei wird das aktuelle Verhältnis zwischen „marxistisch“ und „politisch“ ebenso zur Diskussion stehen wie die Frage, wie sich eine Institution wie das mumok innerhalb einer solchen Auseinandersetzung verorten kann.


Mit Sabeth Buchmann, Helmut Draxler, Peter Gorsen, Isabelle Graw, Andrew Hemingway, Élisabeth Lebovici, Sven Lütticken, Jaleh Mansoor, Jenny Nachtigall, Ana Teixeira Pinto, Giovanna Zapperi


Programm

Freitag, 4. Dezember 2015

15:15
Begrüßung


15:30
Einführung durch Manuela Ammer und Kerstin Stakemeier


Vorträge: Die Geschichte(n) der marxistischen Kunstgeschichte

Die drei Einführungsvorträge legen die Vorgeschichte(n) unserer Gegenwart dar. Drei angesehene Kunsthistoriker_innen, deren Arbeiten die Debatte über marxistische Kunstgeschichte in den verschiedensten Zusammenhängen entscheidend geprägt haben (und die ihre Arbeit auch weiterhin in einem marxistischen und/oder materialistischen Sinne begreifen), erörtern ihre eigene marxistische Kunstgeschichte. Andrew Hemingway untersucht die kontroverse Rolle von Ästhetik und Ideologie für Kunsthistoriker_innen der Neuen Linken in Großbritannien nach 1968. Élisabeth Lebovici analysiert das problematische Verhältnis zwischen marxistischer Kunstgeschichte und Poststrukturalismus. Und Peter Gorsen zeichnet die sich wandelnde Bedeutung eines weiteren ambivalenten Themas der marxistischen Kunstgeschichte nach: die (Un)Möglichkeit der Popularisierung der Kunst. Über diese unterschiedlichen Herangehensweisen stellt sich die Frage, welche Debatten Aktualisierungspotenzial besitzen und für ein Verständnis des Hier und Jetzt produktiv gemacht werden können.


16:00
„Das Kind mit dem Bade?“ Kunstgeschichte zwischen marxistischer Wissenschaft und marxistischer Ästhetik
Andrew Hemingway (Prof. Emeritus, University College London)


Nach 1968 war die bedeutendste Form des Marxismus, mit der Studierende und Wissenschaftler_innen der Neuen Linken (New Left) in Großbritannien in Berührung kamen, der Althusserianismus. Louis Althussers theoretische Neuerungen innerhalb der Ideologietheorie hatten einen enormen Einfluss auf Filmwissenschaften, Literaturkritik und – in geringerem Maße – die Kunstgeschichte. Im ersten Teil seines Vortrags beschäftigt sich Hemingway mit den Versuchen von Nicos Hadjinicolaou und T.J. Clark, das Wirken von Ideologie in den bildenden Künsten angesichts jüngerer Theorien dieser Kategorie zu überdenken. Eine der Begleiterscheinungen von Althussers Versuch, der marxistischen Wissenschaft strenge philosophische Parameter zu verpassen, war die Zurückweisung von Ästhetik als Überbleibsel vorwissenschaftlichen bürgerlichen Denkens. Für Theodor W. Adorno hingegen bedeutete die Subsumierung der Kunst unter dem Begriff Ideologie, „das Kind mit dem Bade“ auszuschütten. Im zweiten Teil des Vortrags betrachtet Hemingway den Standpunkt der Kunstgeschichte in Relation zu der gähnenden Kluft zwischen Althusserscher Wissenschaft und Adornos Kritik der instrumentellen Vernunft.


17:45
Pause


18:00
Man wird nicht als Marxist_in geboren, man wird nicht als Frau geboren.
Élisabeth Lebovici (Kunstkritikerin/-historikerin, Kuratorin, Dozentin, Paris)


Auch wenn französische Philosoph_innen wie Louis Althusser Mitte der 1960er-Jahre „zu Marx zurückkehrten“, fand die Möglichkeit einer Ausweitung auf eine neue marxistische Kunstgeschichte in den poststrukturalistischen Kreisen jener Zeit keinen Anklang. Vielleicht, weil die von der kommunistischen Partei in Frankreich praktizierte Kulturpolitik in jenen Kreisen entschieden abgelehnt wurde. So wird beispielsweise die von 1977 bis 1980 aktive Gruppe „Histoire et Critique des Arts“ (Geschichte und Kritik der Kunst), die Nicos Hadjinicolaou mitbegründet hatte, in einschlägigen Anthologien wie Renew Marxist Art History nur am Rande erwähnt. Nichtsdestotrotz trug die internationale Reichweite dieser Gruppe zur Konstruktion des 19. Jahrhunderts als dem „idealen Objekt“ der marxistischen Kunstgeschichte bei und sorgte dafür, dass die Reflexion über kunsthistorische Institutionen und Ideologien in Frankreich aufrechterhalten wurde – eine Art von Reflexion, die heute leider verlorengegangen ist. Als nachhaltiger erwiesen sich die Entwicklungen in den Bereichen Ideologie und Kultur durch materialistisch-feministische Positionen. Monique Wittigs radikale Sprach- und Repräsentationskritik in den 1970er-Jahren führte zu einem Umdenken über Sex, Gender und Zwangsheterosexualität – Themen, die in der langen Geschichte marxistischer Praxis bis dahin kaum vorgekommen waren. Dieser Wandel – der sich in einem Schreiben als dissonantes, grammatikalische Normen vermeidendes Subjekt äußert – stellt das fehlende Glied zwischen marxistischer Kunstgeschichte und Postrukturalismus bereit.


19:45
Pause


20:00 
Gesellschaftliche Realisationen und Konstellationen einer marxistisch intendierten Ästhetik und Kommunikation
Peter Gorsen (Prof. Emeritus, Universität für Angewandte Kunst Wien)


Der sowjetische Proletkult ist das vielleicht konsequenteste Beispiel für eine grundlegende Popularisierung der Kunst hin zu einer generellen künstlerischen Praxis – eine radikale Sozialisierung der Kunst. In diesem Sinne kann der Proletkult jeder marxistischen Kunstgeschichte als Vorbild dienen, die nicht nur historische Auseinandersetzungen darlegen, sondern auch zeitgenössische provozieren möchte. In seinem Vortrag wirft Peter Gorsen einen Blick auf die künstlerische Politik des Proletkults und daran anschließende Bestrebungen, die durch den Proletkult aufgeworfenen Fragen in die marxistische Kunstgeschichte zu übertragen; ihm selbst kam in diesem Zusammenhang im deutschsprachigen Kontext der späten 1960er- und 1970er-Jahre eine Schlüsselrolle zu. Gorsen beleuchtet die drastischen Veränderungen, die das Verhältnis von Kunst, Kultur und Wirtschaft seit den 1960er-Jahren erfahren hat, und fragt nach der Relevanz des Proletkults in der heutigen Zeit. Dadurch konfrontiert er uns mit der Frage, was wir aktuell unter einer marxistischen, nach politischer Konsequenz strebenden Kunstgeschichte verstehen.


Samstag, 5. Dezember 2015

10:30


Einführung in Podium 1: Die kontinuierliche Krise. Marxistische Kunstgeschichte und Diskontinuität

Ausgangspunkt dieser Podiumsdiskussion ist die These, dass der Begriff der Krise jüngst einen historischen Wandel erfahren hat: von der Bezeichnung eines zyklischen Phänomens innerhalb kapitalistischer Ökonomien hin zur Definition eines ihrer durchgängigen Merkmale – wenn nicht sogar des durchgängigen Merkmals. Die Finanzkrise von 2008 förderte im westlichen Kapitalismus eine Vorherrschaft derivativer Wirtschaftsstrukturen zutage, die nicht nur den gesamten Finanzsektor durchdringt, sondern auch alle Bereiche der Produktion, Distribution und des Konsums und deren Subjekte und Objekte bestimmt. Die Podiumsteilnehmer_innen legen ihre eigenen Erkenntnisse über die Krise dar und diskutieren über die Relevanz dieses Begriffs für ein heutiges Verständnis von marxistischer Kunstgeschichte.


10:45
Nach-[der]-Krise
Sven Lütticken (Programmdirektor VAMA, VU Universität Amsterdam)


Die Krise des Kapitalismus hat sich immer wieder als lediglich eine weitere Krise im Kapitalismus dargestellt – die Art von Krise, die Teil eines zyklischen Auf und Ab ist, das selbst auf einer Wachstumskurve abgebildet ist. Nun, da Wachstum nach jeder Krise durch Wohlstandsumverteilung und „jobless recovery“ (beschäftigungsfreies Wachstum) ersetzt wurde, können wir – im Sinne von Maurizio Lazzarato – ebenso gut sagen, dass die Krise sich in eine dauerhafte Katastrophe verwandelt hat. Dies ist natürlich auch die Katastrophe der Kunst als finanzialisiertem Produkt, das immun gegen und unabhängig von der Krise zu sein scheint; die Autonomie der Kunst wurde zur Autonomie der Finanzwirtschaft. In diesem Zusammenhang untersucht Lütticken marxistische und andere Vorstellungen von der Gegenwart als Vorgeschichte bzw. Nachgeschichte – einer Geschichte, die noch nicht ganz begonnen hat bzw. noch nicht ganz zu Ende ist. Von besonderem Interesse sind künstlerische Praktiken, die eine historische Situation, in der die Zukunft zum Gegenstand der Nostalgie wird, reflektieren und in diese intervenieren.


11:05
Wiederkünfte des Realen: (Re)Produktion, Medien und Krise
Jenny Nachtigall (wissenschaftliche Mitarbeiterin, Philosophie, Akademie der Bildenden Künste München)


Während Arbeitskraft immer das Reale des Kapitals war, fungieren Materialität und Medienspezifizität heutzutage wohl als das Reale einer Kunst, die das Digitale und das Derivative als Logik ihrer (Re)Produktion begreift. Daher überrascht es kaum, dass Befürworter_innen einer spekulativen Ästhetik und Philosophie in jüngster Zeit nicht nur den Marxismus als solchen für veraltet erklärt haben, sondern auch die Kunst zu einer materiellen Praxis (z. B. Suhail Malik). Nachtigall interessiert sich weniger für diese Phänomene an sich, sondern für den Beitrag, den sie zu einem Verständnis von marxistischer Kunstgeschichte heute leisten können und damit auch der Beziehungen und Konflikte der Kunst sowie ihrer (Re)Produktion – und dem Realen, das nicht einfach in der Obsoleszenz aufgehoben werden kann. Infolgedessen konzentriert sie sich auf einige der jüngeren Wiederkünfte des Realen im Angesicht der Krise, also eines Realen, in dem der Diskurs Konsequenzen hat. (Alenka Zupančič)


11:25
Die Darstellung der Lohnarbeit im Jahr 1962: von Andre zu Manzoni, von einer produktivistischen Ikonografie zu Index und Sabotage
Jaleh Mansoor (Assistenzprofessorin für Kunstgeschichte, University of British Columbia, Vancouver)


Mansoor vergleicht die Darstellung der Lohnarbeit in den Werken von Carl Andre, Robert Morris und Piero Manzoni Anfang der 1960er-Jahre, um daraus abzuleiten, was in einer marxistischen Kunstgeschichte „fehlt“. Sie liest Manzonis Linea, nicht-komponiert auf einem Fließband, vor dem Hintergrund der Produktion von primären Strukturen durch die amerikanischen Minimalisten, um zu zeigen, dass es in Manzonis Praxis nicht um eine Monumentalisierung oder Mythologisierung der Tugend der „Arbeit“ geht, sondern um deren Kritik. Manzonis Praxis bezieht sich auf einen Arbeitsbegriff, bei dem die Befreiung der Arbeiter_innenschaft von der Logik der Evaluierung und Quantifizierung, welche die Wertform einfordert, im Mittelpunkt steht. Damit nimmt er die Zurückweisung der Arbeit durch die Ultralinke als Ort der proletarischen Selbstverwirklichung vorweg. Mansoor bedient sich der „Arbeiteruntersuchungen“ (Romano Alquati), einer von der italienischen Ultralinken (Operaismo) zur Untermauerung ihrer Sache entwickelten Methodik, und liefert so eine neue Lesart der Frage des „Könnens“ in der Kunst des 20. Jahrhunderts.


12:30
Mittagspause


14:00
Im Gespräch: Der Status der Ware Kunst
Isabelle Graw (Professorin für Kunsttheorie, Städelschule, Frankfurt am Main)


Die Frage nach dem kapitalistischen Wert der Kunst geht heute weit über ihre bloße Warenform hinaus – Kunst als Ware ist nur eine der vielen Erscheinungsformen der Kunst, in der Wert eine Rolle spielt. In dem Gespräch mit Isabelle Graw geht es um die verschiedenen aktuellen Formen, in denen der Wert der Kunst definiert wird. Wie können die vielen metaphorischen Verwendungen des Begriffs „Wert“ in der zeitgenössischen Kunst (Ausstellungswert, symbolischer Wert etc.) mit seinen ökonomischen Anwendungen (Warenwert, Tauschwert etc.) in Beziehung gesetzt werden? Und welche Rolle spielt die Arbeit der Künstler_innen bzw. die künstlerische Arbeit in den Wertvorstellungen von Kunst?


15:00
Kaffeepause


15:30


Einführung in Podium 2: Kunst nach der Arbeit? Marxistische Kunstgeschichte im Zeitalter des Finanzkapitalismus

In dieser Podiumsdiskussion geht es um die Frage, inwieweit der Begriff der Arbeit innerhalb eines zeitgenössischen Verständnisses marxistischer Kunstgeschichte einen Wandel erfährt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Arbeit, als eine Kategorie, die marxistische Kunstgeschichten ursprünglich von anderen Kunstgeschichten (in denen Arbeitsprozesse unsichtbar gemacht wurden, um die Unmittelbarkeit des individuellen kreativen Ausdrucks in den Vordergrund zu stellen) unterschieden hat, selbst gesellschaftlich auf das Abstellgleis geschoben wurde. Menschliche Arbeit, einst von Marx als einzige Quelle des Mehrwerts identifiziert, erscheint heute als ein zweitrangiger Aspekt der Wertschöpfung. Anstatt zu postulieren, dass das Kapital die Arbeit überlebt hat, diskutieren die Podiumsteilnehmer_innen darüber, wie eine zeitgenössische marxistische Kunstgeschichte sich diesem Problem stellen und die Beziehung zwischen Arbeit und Wert in der Kunst wiederherstellen kann, und zwar jenseits jeglicher Nostalgie.


15:45
Kunst als (un)spezifische Arbeit als (un)spezifische Arbeitskraft
Sabeth Buchmann (Professorin für Kunstgeschichte, Akademie der bildenden Künste Wien)


Trotz der Beliebtheit, der sich das Probenformat an den Schnittstellen von Film, Tanz/Theater, Musik und bildender Kunst erfreut, hat es als Thema im modernen und zeitgenössischen Kunstdiskurs kaum Beachtung gefunden. Vor diesem Hintergrund beleuchtet Buchmanns Beitrag die Rolle der „Probe“ als Instrument, das charakteristische Vorstellungen von Werk und Arbeit verschmelzen lässt. Dokumentationen und/oder (Re)Präsentationen von Proben sind typisch für projektbasierte und kollaborative Arten von künstlerischer Arbeit; sie werden herangezogen, um die Entstehung und Umsetzung von Konzepten, Abläufen, Rollen, Regeln und Fähigkeiten visuell zu verdeutlichen. Dabei lässt sich ein Schwerpunkt in der Entwicklung und/oder Ablehnung spezifischer Kenntnisse und Fähigkeiten ausmachen. Geht man davon aus, dass Probenformate die Probleme von Kunst als performativer Arbeit deutlich machen, können sie uns dabei helfen, die sich verändernden Grenzen zwischen spezifischer und unspezifischer ästhetischer Arbeit und ihrer jeweiligen Bewertung als physische, affektive und/oder intellektuelle Arbeit zu präzisieren.


16:05
Die Liquiditätsfalle
Ana Teixeira Pinto (Kunstkritikerin/Autorin, Kuratorin, Berlin)


Seit 2008 wurde in großem Umfang neues Kapital geschaffen, um die Abwertung des bestehenden Kapitals zu verhindern. Die so geschaffene Überschussliquidität hat jedoch keinen Weg zurück in den Produktionskreislauf gefunden. Im Gegenteil, sie wurde eilig in unproduktive Anlagegüter gesteckt – beispielsweise in Luxusgüter, Kunst und Immobilien. Diese überschüssige Liquidität, die sich auf den Märkten herumtreibt, wirkt sich auch auf die Produktion von Kunst aus: Um es mit Reinier de Graaf zu sagen, einmal als eine Form von Kapital entdeckt, bleibt Kunstwerken keine andere Wahl, als gemäß der Logik des Kapitals zu operieren. In der diffusen Welt postfordistischer Ökonomien wird Kultur vom Sozialen getrennt und erscheint als techno-ökonomische Biosphäre – als negative Totalität, deren grundlegende Metapher die Liquidität ist.


16:25
Kunst, Leben und Arbeit: eine feministische Kritik.
Giovanna Zapperi (Professorin für Kunstgeschichte und -theorie, École nationale supérieure d’art, Bourges)


Die moderne Vorstellung vom Künstler bzw. der Künstlerin als autonomer Figur bildet den Ausgangspunkt dieses Vortrags, der sich mit feministischen Revisionen dieser Idee in den 1970er-Jahren beschäftigt. Zapperi schlägt vor, die Beziehungen zwischen Kunst, Leben und Arbeit durch die Linse von Carla Lonzis Kritik von Kunst als Arbeit zu betrachten. Letzteres war Teil ihrer Forderung, (männliche) Wettbewerbsstrukturen zugunsten nicht produktiver, freier Produktionsverhältnisse abzulehnen. Lonzi war im Italien der 1960er- und 1970er-Jahre eine wichtige Kunstkritikerin und Feministin, die 1970 beschloss, sich aus der Kunstwelt zurückzuziehen. In ihren Texten beschreibt sie die Verflechtungen der Kunst mit Institutionen, Machtverhältnissen und -strategien sowie mit Formen von sozialen Beziehungen, Leben und Arbeit, die Frauen strukturell unterdrücken. Dieser Beitrag bezieht sich auf Lonzis Ideen zur Entfremdung der Künstlerin bzw. des Künstlers und zur Maskulinität, um deren Resonanz aus Sicht einer zeitgenössischen feministischen Kritik an der Beschlagnahme des Lebens und seiner Reduzierung auf Arbeit zu prüfen.


17:30
Pause


18:00
Voraussetzungen für eine marxistische Kunstgeschichte
Helmut Draxler (Professor für Kunsttheorie, Universität für Angewandte Kunst Wien)


In seinem Schlussvortrag untersucht Draxler drei Aspekte, die für ihn Voraussetzungen für eine marxistische Kunstgeschichte darstellen: 1. Einen „Kunstbegriff“, der weder ein zeitloses Ideal ist, dessen Funktion oder Kontext rekonstruiert werden muss, noch reine Ideologie, die der „realen“ Geschichte zuliebe demontiert werden muss. 2. Ein Bewusstsein der komplexen und divergierenden Geschichte(n) der Produktion von bildender Kunst und der Produktion von Bildern – zwei Traditionen, die seit dem 19. Jahrhundert einen zunehmend unterschiedlichen Verlauf genommen haben. 3. Eine Idee von Produktionsverhältnissen anstatt einer bloßen Analyse von Produktionsweisen: Wie „verhalten“ sich gesellschaftliche Verhältnisse beispielsweise zu künstlerischen und kulturellen Differenzen? Auch wenn diese Voraussetzungen miteinander verbunden sind, müssen sie dennoch in ihrer Unterschiedlichkeit thematisiert werden, wenn konkrete Urteile abgegeben werden sollen – Urteile, die die Periodisierung und die Narrative, die Kategorisierung und die Bewertung dessen betreffen, was als Kunst angesehen wird.


Konzept von Manuela Ammer (Kuratorin, mumok) & Kerstin Stakemeier (Professorin für Kunsttheorie und –vermittlung, Akademie der bildenden Künste Nürnberg) 


Eintritt zum Symposium frei