Sie sind hier

Die Sammlung Dieter und Gertraud Bogner

mumok insider


In einer generösen Geste „ohne Wenn und Aber“ schenkte das Sammlerehepaar Dieter und Gertraud Bogner 2007 dem mumok einen äußerst umfangreichen Teil seiner Sammlung, die es seit Ende der 1970er-Jahre aufgebaut hat. Diese Schenkung, die mehr als 100 Bilder, Skulpturen, Objekte, Medienarbeiten und Rauminstallationen sowie 300 Zeichnungen, Gouachen, Druckgrafiken, Autografen, Künstler*innenbücher und Archivalien aus den Bereichen konkreter, medienbasierter und konzeptueller Kunst umfasst, wird seither durch weitere Schenkungen – wie zum Beispiel eine Installation des kroatischen Künstlers David Maljković oder von Nikita Kadan aus Kiew – laufend ergänzt.

Auch anlässlich des 80. Geburtstages von Dieter Bogner sieht sich das mumok nun in der Rolle des Beschenkten: Diese aktuelle und jüngste Schenkung umfasst ca. 250 Zeichnungen, Gouachen, Grafikmappen und Objekte, unter anderen von Richard Artschwager, Marc Adrian, Robert Adrian X, Thom Barth, Herbert Boeckl, Kaucyila Brooke, Inge Dick, Tibor Gáyor, Kurt Ingerl, Donald Judd, Thomas Kaminsky, Richard Paul Lohse, Vera Molnár, Margot Pilz, Markus Prachensky oder von Ad Reinhardt, sowie einen Grafikschrank voll mit Arbeiten aus dem Nachlass von Hildegard Joos aus allen Phasen ihres grafischen Schaffens. Damit erfährt das inhaltliche Konzept der Sammlung Bogner im mumok eine wesentliche Verstärkung und vor allem werden auch Lücken in der Sammlung des Museums geschlossen. Auf diese Funktion der Sammlung Bogner verweist die regelmäßige Präsenz von Werken in den Ausstellungen des mumok.

Den Anstoß für die erste große Schenkung gab Edelbert Köb, indem er in seiner Direktionszeit in Veranstaltungen und Ausstellungen die staatliche Sammlungspolitik zur Diskussion stellte, deren schwindende budgetäre Mittel mit den rasant wachsenden Preisen auf dem Kunstmarkt nicht mehr Schritt halten konnten. Dieser zeitkritischen Bestandsaufnahme verdankt das Museum mit der Sammlung Bogner ein ebenso reiches wie thematisch präzises Reservoir an Kunstwerken, das in der Tradition einer ihrerseits kritischen, aufklärerischen Moderne steht und diese erneuert. Denn die Arbeiten stellen ein für österreichische Verhältnisse ungewöhnliches Sammlungsprofil dar, dominierten doch hierzulande sehr lange expressiv und figurativ ausgerichtete Sammlungen, in denen sich ein traditionsverbundenes Bild der Kunstgeschichte widerspiegelt.

Die Bogners waren und sind in diesem lokalen Biotop ein ungewöhnliches Ferment, denn sie sind einem bildungspolitischen Aktivismus mit durchaus gesellschaftspolitischer Ausrichtung verpflichtet. So engagierte sich Dieter Bogner bereits in den 1970er-Jahren gegen die Umweltzerstörung und zählte zu den Initiator*innen der Besetzung der Hainburger Au, in der dem starrköpfigen politischen Establishment eine nachhaltige Niederlage zugefügt wurde. Außerdem ist er ausgewiesener Kunsthistoriker, der sich als Lehrender in seinen Publikationen unter anderen mit Josef Hoffmann, Johannes Itten, Friedrich Kiesler und Haus-Rucker-Co, besonders aber auch mit kunsttheoretischen Fragen beschäftigte. Sein Engagement für Architektur ist auch durch seine Arbeiten als Museumsplaner für zahlreiche internationale Museumsbauten und für das MuseumsQuartier belegt. Als Initiator und langjähriger Vorsitzender der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung sowie als Kurator hat er umfangreiche Retrospektiven realisiert, beginnend 1988 mit der ersten großen Übersichtsschau zu Kieslers Werk im Museum des 20. Jahrhunderts.

Für alle Aktivitäten des Paares ist vor allem der Kunstraum des Schlosses Buchberg in Gars am Kamp von zentraler Bedeutung. Dieser Raum zeigt, dass die im Laufe von 40 Jahren aufgebaute Sammlung auf jahrzehntelanger Arbeit mit Künstler*innen basiert, die mit einer theoretischen Diskurs- und intensiver Archivarbeit verbunden ist, um auf den analytisch-sinnlichen Anspruch der Kunst mit der Verpflichtung zu ihrer seriösen wissenschaftlichen Vermittlung zu antworten. Die Gründung der Gruppe Exakte Tendenzen 1976 (mit Kurt Ingerl, Harold und Hildegard Joos, Brigitta Malche, Oskar Putz, Sabine Weiger) zeigt deutlich, dass die Bogners von Beginn an selbst Teil der Kunstszene waren, wobei für sie nicht das Verharren in der Vergangenheit, sondern das Engagement für die Gegenwartskunst entscheidend ist. So kommen zu den bereits historisch gewordenen ortsspezifischen permanenten Rauminstallationen in den Innen- und Außenräumen von Schloss Buchberg – zum Beispiel von Roland Goeschl, Dan Graham, Stanislav Kolíbal, Dóra Maurer oder François Morellet– kontinuierlich neue Arbeiten jüngerer Generationen dazu, wie etwa jene von Martin Beck, Josef Dabernig, Hanne Lippard, Dorit Margreiter und Heimo Zobernig, die das Schloss zu einem Ort lebendiger Kunstgeschichte machen. Von der Strahlkraft dieses in höchstem Maße individuellen, privat geführten Kunstraums profitiert das mumok seit nun bereits 15 Jahren.

Rainer Fuchs


Rainer Fuchs ist Chefkurator und stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des mumok.