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Nikita Kadan – Der Krieg ist nicht neu

mumok insider


2019 war Nikita Kadan im mumok mit seiner Ausstellung Project of Ruins zu Gast. Er hat damals die in der Ukraine seit 2015 staatlich legitimierte Zerstörung sowjetischer Denkmäler sowie die kriegerische Aggression Russlands in der Ostukraine thematisiert. Die Denkmalzerstörung in der Ukraine war eine Antwort auf die Zerstörung ukrainischer Monumente durch die Russen auf der annektierten Krim. Dieser damalige symbolische Krieg der Zeichen, der in der Ostukraine bald in Realkrieg überging, hat sich leider in einen blutigen Überfallskrieg auf die gesamte Ukraine verwandelt.

Unmittelbar nach der russischen Annexion der Krim und der Besetzung der Ostukraine durch russische Separatisten hat sich Kadan 2015 in das Kriegsgebiet begeben, um dort zu recherchieren und mit seinen Arbeiten gegen Krieg und Unrecht Stellung zu beziehen. Es gehört zu seiner Arbeit mit und neben Kunst auch gesellschaftspolitische Entwicklungen nicht nur zu kommentieren, sondern als politischer Aktivist auch mitzugestalten. Als Mitbegründer und Mitglied der Kollektive „Hudrada“ sowie „R.E.P.(Revolutionary Experimental Space)“ engagiert er sich wesentlich im Aufbau demokratischer Strukturen in der Ukraine. Das mumok hat auch in einer Rahmenveranstaltung während der Ausstellung Vertreter*innen dieses kunstpolitischen Diskurses in der Ukraine zu einer Diskussion geladen, um hierzulande über diesen doch sehr nahen Konfliktherd aufzuklären. Das öffentliche Interesse daran war damals sehr mäßig, nun hat sich das – unter den leider furchtbaren neuen Entwicklungen – sehr verändert. Schon zuvor hatten Georg Schöllhammer und Hedwig Saxenhuber in der Kiew Biennale 2015 dem geschichtskritischen Ansatz Nikita Kadans breiten Raum gegeben, sowie ihre Vertrautheit und ihr Engagement bezüglich der Kunst osteuropäischer Länder eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Wer die Kunst und den Aktivismus von Protagonist*innen wie Nikita Kadan verfolgt hat, konnte auch deren Kampf gegen die demokratiefeindlichen Ambitionen des Putinismus und dessen expansionistischen und imperialistischen Charakter beobachten, der besonders die demokratischen Kräfte in der Ukraine, aber darüber hinaus auch im gesamten Westeuropa bedrohte und bedroht. Dies hat Kadan auch in seinen aktuellen Äußerungen in den sozialen Netzwerken klar zum Ausdruck gebracht. Man kann den Krieg in der Ukraine daher auch als einen Stellvertreterkrieg für Westeuropa und seine demokratischen Werte verstehen, um daraus auch seine Schlüsse zu ziehen.

In einer Arbeit von 2015 mit dem Titel Limits of Responsibility – einer Schenkung des Sammlerehepaares Bogner an das mumok – geht Kadan auf die „Revolution der Würde“ von 2013/14 ein, die zur Amtsenthebung und Vertreibung des damaligen Staatspräsidenten Wiktor Janukowytsch führte. Der hatte sich gemeinsam mit seinem Familienclan durch Korruption bereichert und die Nähe zu Putins Russland gesucht, wohin er dann auch geflohen ist. Es ist das Verdienst von Künstler*innen und Aktivist*innen wie Nikita Kadan, die Geschichte autoritär-korrupter Politik in ihrer Entwicklung genau zu beobachten und künstlerisch zu reflektieren, damit wir uns über die Folgen, die nun eingetreten sind, nicht zu sehr wundern. Solcher Kunst Raum zu geben, ist eine Möglichkeit vor Ort zu unterstützen und hier die bildungspolitische und aufklärerische Funktion öffentlicher Museen ernst zu nehmen. 

Rainer Fuchs

 


Der Beitrag erschien ursprünglich zu Kriegsbeginn im Frühjahr 2022. Leider hat sich die Situation inzwischen nur verschlimmert. Zum Jahrestag des Kriegs veröffentlichen wir den Text erneut.