
Ausstellungsansicht mixed up with others before we even begin
Photo: Oliver Ottenschläger © mumok
Ausstellungsansicht mixed up with others before we even begin
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Ausstellungsansicht mixed up with others before we even begin
Photo: Oliver Ottenschläger © mumok
Ausstellungsansicht mixed up with others before we even begin
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Ausstellungsansicht mixed up with others before we even begin
Photo: Oliver Ottenschläger © mumok
Ausstellungsansicht mixed up with others before we even begin
Photo: Oliver Ottenschläger © mumok
Das seit 2006 in Berlin tätige, aus einer Lesegruppe hervorgegangene Künstler*innenkollektiv betreibt mit Ausstellungen, Publikationen und Lecture Performances eine künstlerische Praxis, die programmatisch und fantasievoll alle möglichen Mischformen propagiert. Slavs and Tatars, die sich eher als Plattform begreifen denn als kooperativer Zusammenschluss von Künstler*innen, widmen sich den gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen des Gebiets „östlich der ehemaligen Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mauer“.
Ihre vakuumgeprägten Paneele spielen mit den Symbolen, Bildern und Formen einer kommerziellen und massenhaft hergestellten Beschilderung. Sie zeigen Transliterationen, also buchstabengetreue Übertragungen von Wörtern aus einem Schriftsystem in ein anderes. Auf humorvolle wie provokante Weise wird mit dem Gleichklang von Wörtern und Buchstaben, grafischen Analogien und daraus resultierenden Missverständnissen zugleich die Unzulänglichkeit von Sprache wie ihr generatives Potenzial vorgeführt. Dabei scheuen Slavs and Tatars vor Peinlichkeiten nicht zurück. Die Arbeit Odbyt (2015) etwa, polnisch für Rektum, besteht aus zwei Silben, die wörtlich mit „vom Sein“ übersetzt werden können. Während Gustave Courbets berühmtes und viel diskutiertes Gemälde L’Origine du monde (1866) deutlich macht, dass der französische Künstler das weibliche Geschlechtsorgan als „Ursprung der Welt“ betrachtete, plädieren Slavs and Tatars mit Odbyt für den Anus als Ursprung der Menschheit. Die Präposition „ot“, die in mehreren slawischen Sprachen „von“ bedeutet, existierte im Altkirchenslawischen als eigenständiger kyrillischer Buchstabe mit der signifikanten Form Ѿ.
Aus der mumok Sammlung haben Slavs and Tatars Werke ausgewählt, in denen Körper mehrdeutige Aktionen vollziehen, und diese mit eigenen Arbeiten auf humorvoll spielerische Weise in Beziehung gesetzt. Dazu gehören die Selbstporträts in der Fotoserie Intimate Recording (1969) von Natalia LL beim Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann, die ihr Gegenüber im haarigen Textil finden, das aus dem wie Beine gekreuzten Koranständer, auch Rahle genannt, quillt. Die aufeinandergepressten Münder von Marina Abramović und Ulay wiederum finden ihr Gegenüber in einem Teppich mit Zungendarstellung. Was in Breathing in / Breathing out (1977) auf den ersten Blick wie ein inniger Kuss aussieht, ist tatsächlich eine Performance, bei der beide die ausgeatmete Luft des anderen einatmen. Je länger die Performance dauert, desto mehr wird sie zu einem Kampf ums Überleben. Dabei geht es nicht nur darum, wer am längsten durchhält, sondern auch um die (symbolische) Auslöschung des Selbst in symbiotischen Beziehungen. In Petr Štemberas Aktion Joining (with Tom Marioni) (1975) pressen der tschechoslowakische und der amerikanische Künstler ihre Körper aneinander und lassen sich von Ameisen beißen. Was heute einen eindeutig queeren Aspekt in sich trägt, war in den 1970er Jahren, also in der Zeit des Kalten Krieges, der Versuch, über politische und körperliche Grenzen hinweg gemeinsam empfundenen Schmerz als Sinnbild gesellschaftlicher Wunden und Traumata zu verstehen.
Die Ausstellung mixed up with others before we even begin ist noch bis zum 10. April im mumok zu sehen.