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mixed up with others before we even begin | Nilbar Güres

mumok insider


Die in der Türkei aufgewachsene Künstlerin Nilbar Güreş (geboren 1977 in Istanbul, Türkei) setzt sich mit den persönlichen und gesellschaftlichen Beschränkungen auseinander, die durch Heteronormativität erzeugt werden. In einer eigens für mixed up with others before we even begin entwickelten Skulptur, einer Art Baum der Erkenntnis, führt sie die Kategorie Geschlecht und die Binarität von Frau und Mann als etwas vor, das dauernd in (gewaltsamer) Veränderung begriffen ist. Es handelt sich dabei um eine Kategorie, die mit Begriffen wie imitiert, transplantiert, digitalisiert, kopiert, modifiziert, verfälscht, fabriziert, ausgetauscht und so weiter beschrieben werden kann – und damit alles, aber keine fixe Größe ist. Wie zentral die Frage nach Geschlechterverhältnissen und sexueller Orientierung ist, kommt in Güreş’ Werk immer wieder als „subversive Dramaturgie“ zum Ausdruck: Als bunte Hippiefantasie präsentiert sich der Baum der Erkenntnis mit dem Titel Mayzu (2022), von dessen Früchten die Besucher*innen nicht nur naschen dürfen, um sich ihrer eigenen Sexualität bewusst zu werden, sondern sogar sollen. Er setzt sich aus Blättern mit folkloristischen Stoffen und Mustern aus Wien, Istanbul und São Paulo, aus der BDSM-Szene entlehnten Gegenständen, aus bisexuellen Bonobos und verbotenen Früchten wie Kokosnüssen und Bananen zusammen. Die Besucher*innen sind angehalten, in dem humorvollen Setting Selfies zu machen und auf diese Weise in ihre Bildnetzwerke die Botschaft einzuschleusen, dass das Hochhalten der Geschlechtergrenzen obsolet geworden ist.

Mit den Arbeiten von Alexander Rodtschenko, Lois Weinberger oder Karl Wirsum hat Güreş Werke aus der mumok Sammlung gewählt, die Natur und Körper auf ungewöhnliche Weise thematisieren. Weinbergers Fotografien zeigen Ruderalpflanzen, die an den vernachlässigten Randzonen städtischer Bebauung wachsen. Die besondere Beschaffenheit jener Orte lässt eine widerständige Vegetation zu, die zumeist eher unbeachtet bleibt. Wuchtig ragt eine Kiefer in Alexander Rodtschenkos dramatischer Fotografie in den Himmel. Rodtschenko fotografierte die Natur wie eine technische Apparatur. Seine Fotografie verleiht dem Baum die Dramatik eines massiven Fabrikschornsteins und zeigt, wie die künstlerische Ausdrucksform die Welt vieldeutig interpretierbar macht. Karl Wirsums Skulptur in Form einer geschlechtsneutralen Puppe ist ebenfalls mehrdeutig lesbar: Einerseits erinnert sie an ein harmloses Spielzeug, andererseits beschwört sie ein posthumanes Zeitalter der Robotertechnologie herauf.
 


Die Ausstellung mixed up with others before we even begin ist noch bis zum 10. April im mumok zu sehen.