Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit, Wolf Vostell
24 Stunden. Happening 24 Stunden am 5. Juni 1965 von 0–24 Uhr in der Galerie Parnass, Wuppertal
ca. 150 Blatt, 10,4 × 7,5 × 4,5 cm, 20 Gramm
Wuppertal: Hansen & Hansen, 1965
Am 5. Juni 1965 um 0 Uhr startete das legendäre 24-Stunden-Happening in der Villa Parnass in Wuppertal. 1949 hatte der Architekt Rolf Jährling dort eine Galerie gegründet, die mit spektakulären Veranstaltungen und Ausstellungen zu einem Fluxus-Zentrum avancierte. Weil das Ehepaar Jährling für längere Zeit nach Afrika reisen wollte, wurde das Happening als Abschiedsfest für die Galerie, die kurz darauf für immer geschlossen wurde, gefeiert. Akteur_innen waren Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell, die jeweils mit individuellen Aktionen in den verschiedenen Räumlichkeiten der Villa auftraten. Joseph Beuys‘ Aktion war die einzige, die sich konsequent über die gesamte Dauer von 24 Stunden zog, auch wenn er zwischendurch schlief, wie Bazon Brock (um 9 Uhr) bemerkte.
Der Galerist Rolf Jährling und die Fotografin Ute Klophaus hielten den Ablauf des Happenings dokumentarisch fest. Das so entstandene Material wurde zu einem Buch zusammengefasst und mit den Fotografien von Klophaus sowie mit Aufzeichnungen und Texten der Beteiligten veröffentlicht. Eingeleitet wird das Buch mit Einzelporträts der teilnehmenden Künstler_innen. Bazon Brocks Textbeitrag, den er mit 24 Stunden Wuppertal 5. 6. 65 betitelt, notiert die Ereignisse und Eindrücke während des Happenings mit stündlichen Berichten. Er bemerkt beispielsweise: „bei Vostell 5 Leute, bei Beuys alle, bei mir keiner“. Nam June Paik räsoniert in seinem Text Pensée über Kybernetik und Drogen und reklamiert den Sieg der konzeptionellen über die Populärkunst.
Für Abwechslung beim Lesen sorgen einige besondere Details, welche die kleinformatige, dafür auffallend dicke Publikation so außergewöhnlich machen. Die Fotodokumentationen von Joseph Beuys` und Wolf Vostells Aktionen wurden zum Beispiel als Leporello ausgeführt und dezent zwischen die Seiten geklebt. Die schmalen schwarzweißen Fotostrecken können erst im Zuge des Durchblätterns entdeckt werden, sie lassen sich aus dem Buch herausziehen und entfalten. Wolf Vostells Beitrag ist eine Aufforderung zur Interaktion. Diesem Künstler ist auch der Umfang der Publikation geschuldet, sowie ihre Umsetzung als Hybrid zwischen Buch und Objekt. Denn, über die Mitte des Buches geblättert, stößt man auf eine quadratische Aushöhlung, in der sich ein kleines Säckchen Mehl befindet. Neugierige werden rasch die unter dem Säckchen verborgene Aktionsanweisung entdecken, die uns mit den Worten „beschäftigen sie sich 24 stunden mit mehl“ zum Handeln auffordert – ein solches Gadget braucht eben seinen Raum. Am Ende des Buches formieren sich die Akteur_innen zu einem Gruppenporträt, kombiniert mit einem finalen Faltobjekt.
Simone Moser