
Ray Johnson, Berty Skuber
Ray – Berty – Ray Correspondence Pieces
© The Estate of Ray Johnson
Ray Johnson, Berty Skuber
Ray – Berty – Ray Correspondence Pieces
© The Estate of Ray Johnson
Ray Johnson, Berty Skuber
Ray – Berty – Ray Correspondence Pieces
© The Estate of Ray Johnson
Ray Johnson, Berty Skuber
Ray – Berty – Ray Correspondence Pieces
© The Estate of Ray Johnson
Im Rahmen der aktuellen Ausstellung Kollaborationen stellen wir Ihnen über den Sommer ausgewählte Werke vor. Nach dem Paar als kleinster kollaborativer Einheit, der Gruppe in Form von Künstler*innenzusammenschlüssen und der Kollaboration als sozialer Utopie wenden wir uns sozialen Netzwerken zu, die Künstler*innen(gruppen) in unterschiedlicher Weise reflektier(t)en.
Seit den 1960er-Jahren haben sich Künstler*innen immer wieder mit den immateriellen Netzwerkstrukturen, in die sie eingebettet sind, auseinandergesetzt. Dabei kommen etwa materielle Agenten wie diagrammatische Darstellungen im Falle von Georges Maciunas zum Einsatz, die es ermöglichten, große Datenmengen zur historischen Genealogie von Fluxus zu komprimieren und dabei den Eindruck wissenschaftlicher Evidenz zu vermitteln. Vertreter*innen der Mail Art wie Ray Johnson wiederum generieren virtuelle Karten, indem sie Briefe auf dem Postweg an Akteur*innen des Kunstbetriebs versenden. Damit spinnen sie ein Netz an Kompliz*innen, Orten, Handlungen und Informationen, das an Manuel Castells’ aktuelle Definition des Netzwerks als „Reihe miteinander verknüpfter Knoten“ denken lässt. Ree Morton hingegen bedient sich für ihr sehr persönliches, affektives Beziehungspanorama Something in the Wind (1975) der Zeichensprache der Heraldik: für jeden Menschen, mit dem sie sich – über familiäre, freundschaftliche oder professionelle Bande – verbunden fühlte, gestaltete Morton eine Fahne.
Ray Johnson und Berty Skuber
Dear Henry: Letters from Ray Johnson, 1963–1990, 1963–1990
Ray Johnsons Œuvre kann als das radikalste der sich in den 1960er-Jahren etablierenden Mail Art verstanden werden. Es besteht aus einer intensiven postalischen Kommunikation in Form von Collagen, die teilweise sogar an Unbekannte verschickt oder an Dritte weitergeleitet werden – oder von anderen auch weiterbearbeitet werden. Das Netz der Kollaborateur*innen erweitert sich damit potenziell ins Unendliche. Johnsons Collagen im Standardformat sind Cutouts aus Comics, Zeitschriften oder Anzeigen, verbunden mit Zeichnungen und Texten. Persönliche Erlebnisse und Gespräche bilden assoziativ zusammengestellte Nachrichten, mit Wortspielen und Elementen, die poetische Verbindungen schaffen. Seine Briefe an den Kunstkritiker Henry Martin werden von dessen Frau, der Künstlerin Berty Skuber, sogar durch Zeichnungen und Notizen erweitert. Das Medium ist offen für solche Transformationen: Johnson hat seine Collagen „moticos“ genannt, ein Anagramm aus „osmotic“ – und meint damit Durchlässigkeit und dauernde Veränderung, „like the news in the paper or the images on a movie screen“ (wie die Nachrichten in der Zeitung oder die Bilder auf einer Kinoleinwand) (1). Das Kunstwerk, das sich so in Zeit und Raum ausdehnt, wird Teil eines nicht mehr fassbaren Netzwerks von Informationen, Handlungen und Personen und entzieht sich dadurch auch konsequent den Regeln des Kunstmarkts und der ökonomischen Verwertung. Die Post ist das Medium einer demokratischen Idee, in der alle Sender*innen und Empfänger*innen sein können; die Mail Art verwirklicht jenen gemeinschaftsorientierten Traum, den die frühe Moderne nur symbolisch anbieten konnte. (2) Ray Johnson studiert in den 1940er-Jahren am Black Mountain College bei Josef Albers. Dort bringen ihn die Ideen des Komponisten John Cage zu ästhetischen Prinzipien, die auf Spontanität, Zufall und Unbestimmtheit beruhen. Seine „New York Correspondence School of Chicago“ wird damit ein komplexes, öffentlichkeitsscheues Konstrukt: „it is secret, private, and without any rule“ (sie ist geheim, privat und ohne jede Regel) (3).
Jörg Wolfert
1 Ray Johnson, zitiert in: Sofia Kofodimos, „Collages in Motion: The Transformations and Dispersal of Ray Johnson’s Moticos“, https://sofiakofodimos.wordpress.com/
2 Ina Blom (Hg.), The Name of the Game. Ray Johnson’s Postal Performance, Ausst.-Kat. The National Museum of Contemporary Art, Oslo, Oslo 2003, S. 103.
3 Ray Johnson, zitiert in: Lawrence Alloway, „Ray Johnson: Send Letters, Postcards, Drawings, and Objects…“, in: Art Journal, 3 (1977), S. 235–236, hier: S. 236.
Die Texte zu den Werken entstammen dem Ausstellungskatalog Kollaborationen. Hier geht es zum Katalog.