
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Katalog zur Ausstellung, Wolfang Tillmans. Schall ist flüssig, © Wolfgang Tillmans, Foto: mumok 2021
Ines Gebetsroither: Vor uns liegt die neueste Publikation von Wolfgang Tillmans, der Katalog zur mumok Ausstellung Schall ist flüssig. Das Design hast Du in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entworfen und umgesetzt.
Clemens Jahn: Zu Beginn des Projekts war der Katalog als eine Art Reader konzipiert. Die Idee, die vier kunsttheoretischen Aufsätze mit einer umfangreichen Bildstrecke zu ergänzen, kam erst später dazu. Zu diesem Zeitpunkt fand ich es aber reizvoll, weiterhin an der ursprünglichen Idee als formalem Ausgangspunkt für die gestalterische Konzeption festzuhalten. So ist das Buchformat vergleichsweise handlich und beim Satz der Texte liegt der Fokus auf guter Lesbarkeit – und zwar nicht nur hinsichtlich Typografie, sondern auch bei der Wahl des offenen, naturweißen Papiers. Letzteres ist beim Lesen für die Augen angenehmer als beispielsweise ein für Kunstkataloge übliches hochweißes Bilderdruckpapier.
IG: Der Katalog umfasst neben den von Tillmans kuratierten Bildstrecken grundlegende Essays von George T. Baker, Diedrich Diederichsen, Élisabeth Lebovici und Felicity D. Scott, die um wichtige Aspekte im Werk von Tillmans kreisen, etwa um seine Beziehung zu Musik und Clubkultur, Architektur, kunsthistorische Referenzen wie das Neue Sehen, aber auch um das Thema Krankheit. Wie gingst du mit diesen unterschiedlichen Inhalten grafisch um?
CJ: Die vier im Katalog versammelten Aufsätze haben gemeinsam, dass sie auf zahlreiche Arbeiten Wolfgang Tillmans’ Bezug nehmen, die aus sehr unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers stammen. So entstand die Idee, im Textteil des Buchs Vergleichsabbildungen unter den Fußnoten in kleiner Größe „mitlaufen“ zu lassen und eine Auswahl der Abbildungen gezielt größer oder seitenfüllend zu zeigen. Dadurch entsteht eine enge Verzahnung von Texten und Abbildungen im Buch mit dem Effekt, dass die verschiedenen Kataloginhalte eher zu einem integralen Ganzen verschmelzen und weniger wie säuberlich abgeschlossene Einheiten wirken. Auch beim Papierwechsel sind die Übergänge bewusst fließend gehalten: Die erste Seite des Bildteils ist zwar eine Bildseite (Panoramabar morning, 2002), gehört inhaltlich aber eigentlich noch zum Textteil des Buchs. Genauso die erste Seite des Schlussteils, die zwar eine Textseite ist, aber inhaltlich noch zum Bildteil gehört.
IG: Wolfgang Tillmans gestaltet seine Publikationen häufig selbst – von ihm gibt es zahlreiche Künstlerbücher, Monografien und Kataloge, die er auch als Teil seiner künstlerischen Arbeit betrachtet. Wie seid ihr gemeinsam zur finalen grafischen Lösung gekommen?
CJ: Von Wolfgang Tillmans gibt es meines Wissens bereits über 30 Bücher. Sowohl ihm als auch mir war es wichtig, dass das Buch gut in den Tillmans’schen visuellen Kosmos passt. Die meisten Bücher von ihm sind in klassischen Schriften wie Helvetica, Times oder Garamond gesetzt. Dies hat den Effekt, dass sich die Typografie nicht so leicht in den Vordergrund drängt und der klare Fokus auf den (Bild- und Text-) Inhalten liegt. Daran knüpft die Gestaltung von Schall ist flüssig an. Die Fließtexte sind in Times Ten gesetzt, ein für geringere Schriftgrade optimierter Schnitt der Times. Als Sekundärschrift kommt die Monument Grotesk zum Einsatz, eine moderne Interpretation der bekannten Schweizer Groteskschriften, entworfen von dem St. Gallener Designstudio Kasper-Florio.
Meine Rolle als Grafikdesigner bestand bei diesem Projekt darin, ein möglichst kohärentes Gesamtkonzept und Layout-System für die verschiedenen Inhaltskomponenten zu entwickeln und gleichzeitig dem Künstler einen großen Spielraum beim Kuratieren der Bildseiten zu ermöglichen. Die Bildseiten-Layouts und Collagen hat Wolfgang Tillmans komplett freihändig – also unabhängig vom Layoutraster des Buchs – entworfen. Dadurch wirken die Bildseiten sehr organisch, erratisch und unvorhersehbar; und es entsteht ein spannender Kontrast zwischen der Bildsetzung und der eher homogenen Geometrie von Schrift und Satzspiegel.
IG: Du hast ja schon öfter in enger Zusammenarbeit mit Künstler*innen Publikationen entwickelt, für das mumok etwa das Buch Objects Recognized in Flashes (mit den Künstlerinnen Michele Abeles, Annette Kelm, Josephine Pryde und Eileen Quinlan). Was macht die grafische Arbeit mit Künstler*innen besonders? Wie kann man sich den Arbeitsprozess vorstellen?
CJ: Was ich an Ausstellungskatalogen generell spannend finde, ist die zeitliche Komponente. Denn während eine Ausstellung in der Regel nach einigen Monaten wieder abgebaut wird, steht ein Katalog noch deutlich länger in den Regalen von Bibliotheken, Buchläden, Galerist*innen und Buchliebhaber*innen. Ein Buch wie Schall ist flüssig ist aber keineswegs eine reine Dokumentation von etwas Vergänglichem. Vor allem nicht im hiesigen Fall, da das Buch parallel zur Ausstellung entwickelt wurde. Aus meiner Sicht sind Katalog und Ausstellung vielmehr verwandte und sich ergänzende Manifestationen einer kuratorischen Ausgangsidee, die diese auf unterschiedliche, medienspezifische Art und Weise erfahrbar machen: die Ausstellung zeitlich begrenzt, begehbar, räumlich erfahrbar; und die Publikation zeitlich unbegrenzt, portabel, blätterbar.
Bei der Zusammenarbeit mit Künstler*innen fließt die individuelle Arbeitsweise der jeweiligen Person natürlich stark in die Entwicklung einer Publikation mit ein, und zwar nicht nur unter künstlerisch-gestalterischen Gesichtspunkten, sondern auch, was Kommunikation, Logistik und Organisation betrifft. Manche Künstler*innen sind ähnlich aufgestellt wie kleine Unternehmen, haben große Räume, Personal und eingespielte Prozesse; andere sind quasi allein und arbeiten mit maximal ein bis zwei Assistent*innen. Manche Künstler*innen sind ständig unterwegs oder pendeln z. B. wegen einer Lehrtätigkeit, während andere konstant jeden Tag in ihrem Atelier arbeiten. Für mich als Grafikdesigner ist es immer eine Bereicherung, mit einer/einem Künstler*in in Dialog zu treten und in deren/dessen Kosmos einzutauchen, kollaborativ etwas Neues zu entwickeln und mich auf das Unvorhersehbare einzulassen.