
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Hannes Böck, Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom, 2022, Filmstill, © Hannes Böck
Meine Arbeit Sammlung Bau- und Schmuckstein altes Rom besteht aus Ansichten von 55 Steinproben einer Sammlung antiker römischer Baumaterialien, die sich heute im Naturhistorischen Museum Wien befindet. Gefilmt auf 16mm Farbmaterial, aneinandergereiht für jeweils 20 Sekunden, wirken sie wie Fragmente einer abstrakten Komposition.
Der 15-minütige Film legt drei imperiale Repräsentationen übereinander: Die koloniale Vereinnahmung der natürlichen Ressourcen in den eroberten Gebieten durch das römische Kaiserreich, die Legitimierung des europäischen Imperialismus durch den Rückbezug auf eine idealisierte griechisch-römische Vergangenheit, sowie die diskursive Konstruktion der Fotografie als objektivierendes Werkzeug im Dienste der modernen Wissenschaft.
Die Ursprünge der titelgebenden Sammlung liegen in der römischen Ausbeutung von Steinvorkommen, die vor allem an den Rändern des Imperiums lagen und für Repräsentationszwecke genutzt wurden. So beginnt zum Beispiel nach der Annexion Ägyptens durch Augustus 30 v. Chr. der Abbau ägyptischer Granit- und Porphyrvorkommen in der Östlichen Wüste zwischen dem Niltal und dem Roten Meer durch die römischen Eroberer. Der Triumph der römischen Kaiser über die ägyptischen Pharaonen und der Machtanspruch über die neue Provinz wird in den Prachtbauten Roms mit monolithischen Säulen aus grauem Granit des Mons Claudianus und rosa Granit aus Assuan, der Jahrtausende lang den Pharaonen vorbehalten war, symbolisiert. Der finanzielle und organisatorische Aufwand, der betrieben werden musste, um den Stein zu gewinnen und nach Rom zu transportieren, ließ sich kaufmännisch nicht rechtfertigen, sondern wurde allein durch politische Interessen ermöglicht. Der Stein ist nicht allein Schmuck oder architektonische Mode, sondern in seiner Substanz und Provenienz ein ästhetisches Programm, das die imperiale Beherrschung und koloniale Verfügung über die unterworfenen Landstriche symbolisiert. Ägypten ist Rom.
Die zweite imperiale Repräsentationsstrategie, die die vorangegangene des Films überlagert, ist die „Entdeckung“ der griechisch-römischen Antike im Nordwesteuropa des 18. und 19. Jahrhunderts. Die oftmals in kolonial angeeigneten Gebieten gelegenen antiken Stätten (Süditalien, Kleinasien, Nordafrika, Naher Osten) mussten entdeckt, katalogisiert, fotografiert und musealisiert werden, um einer neu geschriebenen historischen Narration zur Verfügung zu stehen, die sich teleologisch von einer imaginiert weißen, archaischen Epoche bis zum globalen Herrschaftsanspruch der europäischen Neuzeit ungebrochen und unfehlbar entwickelte. Vor allem die römische Vergangenheit wurde durch die Brille des Zeitalters des Imperialismus gelesen und in einer historischen Tautologie als kulturelle Rechtfertigung der eigenen Herrschaftsfantasien interpretiert.
Um diese beiden Zeitebenen zu verschränken, benutzte ich fotografische Codes. Die Verwendung des filmischen Bildes, um imperiale Strategien zu diskutieren, kommt nicht von ungefähr. Ist doch die Fotografie im 19. Jahrhundert ebenso in eine tautologische Argumentationskette des objektiven Beweises eingespannt. Um als Grundlage einer langen Reihe wissenschaftlicher Narrationen zu dienen, musste für die Fotografie erst ihre Eigenschaft als natürlich-objektiver Vorgang, der wissenschaftliche Wahrheit erzeugt, konstruiert werden. Die Vorstellung und Bedeutung von Fotografie wurde unter den Vorzeichen des europäischen Imperialismus geschaffen, ihre Eigenschaften haben seinen Bedürfnissen und denen der neuen objektiven Wissenschaften zu dienen. Kunstgeschichte, Archäologie und Ethnologie sind ohne die der Fotografie innewohnenden automatischen Beweiskraft nur schwer denkbar. Die Fotografie eines Artefakts, eines Objekts der Forschung, sei es belebt oder unbelebt, beweist gleichermaßen seine Existenz, als auch seine unbedingte Verfügbarkeit für diejenigen, die die Macht über die Technologie der mechanischen Abbildung besitzen.
So verhält sich die Steinprobe in einem Archiv des NHM wie der ägyptische Stein im römischen Pantheon: als Symbol der jeweiligen imperialen Repräsentationspolitik.
Hannes Böck