
Ausstellungsansicht / Exhibition view
Friedrich Kiesler. Endless House 2
Photo: Lena Deinhardstein-Myers
© mumok
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Friedrich Kiesler. Endless House 2
Photo: Lena Deinhardstein-Myers
© mumok
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Friedrich Kiesler. Endless House 2,
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Friedrich Kiesler. Endless House 2,
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Friedrich Kiesler. Endless House 2,
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Friedrich Kiesler. Endless House 2,
Photo: Lena Deinhardstein-Myers
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Inmitten der grauen Basaltlavaarchitektur des mumok findet sich auf Ebene -1 eine Präsentation des Architekten und Multikünstlers Friedrich Kiesler (1890–1965). In ihrem Zentrum steht das Modell des Endless House (1959): eine aus Maschendraht und Beton bestehende, organisch anmutende Architekturskulptur in sonorem Grau, die zu den Ikonen visionärer Architektur des 20. Jahrhunderts zählt. Dieses Modell für ein Haus, das nie gebaut wurde, gelangte 2017 als Schenkung des Sammlerehepaares Gertraud und Dieter Bogner zusammen mit zahlreichen Skizzen, Zeichnungen und Plänen sowie weiteren Werken des Künstlers in die mumok Sammlung. Die bunkerartige Architektur des Museums beherbergt somit eine Art Herzstück der Architekturgeschichte, ein noch immer geistig pulsierendes, organoides Gebilde. Es war ursprünglich dazu gedacht, symbolisch und faktisch das Korsett einer durchrationalisierten und geometrisierten Wohn- und Lebenswelt zu sprengen. Die offene Struktur des Modells mit den fließenden Übergängen zwischen Wänden, Boden und Decke mag an Adolf Loos‘ ineinandergleitende Raumbezüge erinnern, während die Verknüpfung aller Künste im Inneren an die Idee des Gesamtkunstwerks bei Josef Hoffmann denken lässt. Doch Kiesler war nicht einfach nur der lokalen Tradition verpflichtet, sondern ein früher Global Player.
Bereits ab den 1920er-Jahren hatte er engen Kontakt zur amerikanischen Architektur- und Kunstszene. Als Grenzgänger zwischen den Kontinenten gehörte er auch zu den Pionieren eines offenen Kunstbegriffs, in dem mit der Architektur auch die Malerei eine erweiterte und lebensintegrative Funktion erhielt. Ab 1947 schuf er mit den sogenannten Galaxies mehrteilige Bildobjekte, die als Transmitter zwischen Malerei, Skulptur und Architektur gedacht waren und seine Sensibilität für Präsentationsweisen und Raumbezüge verrieten. Ausgangs- und Bezugsthema der Galaxies war Kieslers Theorie des Korrealismus als Ausdruck seiner Überzeugung von den Wechselbeziehungen zwischen den Künsten sowie zwischen urbanen Strukturen, Gebäuden und ihren technischen und künstlerischen Ausstattungen. In der Vision seines Endless House zentriert sich nicht nur sein Korrealismus, sondern liegt auch die Essenz der Galaxies, deren Bildbestandteile in ihrem Zusammenspiel von Kiesler mit familiären Strukturen verglichen wurden: „Jedes Element ist eine spezielle Einheit in sich selbst sowie jedes Mitglied einer Familie eine eigene Individualität besitzt. Doch ihr starker Zusammenhalt (zu einem Ganzen) ist angeboren, egal wie unterschiedlich die Charaktere der Mitglieder sein mögen.“*
Organische Abstraktion und Lebensnähe gehen bei Kiesler Hand in Hand, und Familienhäuser stehen bei ihm für das Haus als Ausdruck familiärer Beziehungen zwischen den Künsten. Davon kann man sich in der mumok Ausstellung überzeugen, die neben dem Endless House auch Fotografien realisierter Werke zeigt, wie etwa des Schaufensterdesigns für SAKS Fifth Avenue (1928) in New York. In Gestalt einer Architekturzeichnung zum Endless House für Mary Sisler (1961) – aus dem Bestand der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung – wird der schier endlose Variantenreichtum organischen Bauens bei Kiesler erkennbar. Perfekt integrierte sich sein Werk auch in die funktionalistische Architektur des 20er Hauses, wo 1988 eine Schau des Künstlers zu sehen war. Der Film über diese Ausstellung wird ebenfalls im mumok gezeigt und bringt uns das im künstlerischen Agieren steckende soziale und an menschlichen Bedürfnissen orientierte Denken Kieslers näher – aktuell auch in Zeiten wie diesen.
Rainer Fuchs
*Friedrich Kiesler: Galaxies by Kiesler, Ausstellungsfolder, Sidney Janis Gallery, hier zitiert nach: Dieter Bogner (Hg.), Friedrich Kiesler 1890–1965. Inside the Endless House, Wien: Böhlau Verlag 1997, Publikation zur 231. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 12.12.1997–1.3.1998, S. 16.
16-mm-Film, digitalisiert, s/w und Farbe, Ton, 19 min
Film: Wilhelm Gaube
© Wilhelm Gaube, Nachlaßverwalter Joerg Burger