
© Mikki Muhr
© Mikki Muhr
Seit etwa 15 Jahren realisiere ich in unregelmäßigen Abständen am mumok das Führungs- und Gesprächsformat Feministisch Betrachtet – eine feministische Praxis feministischer Theorien/Wissens in den jeweils aktuellen Ausstellungen. Am 1. Juni 2023 gibt es im Rahmen von SCREENWISE 2003 | 2023. WHO CARES!? Debatten gegenwärtiger queer-feministischer Film- und Medien(wissenschaften) eine besondere Gelegenheit, über feministisches Arbeiten in einer Kunstinstitution im Kontext von Kunstproduktion und -theorie, Medien, Kanonisierung und Vermittlung zu reflektieren und zu diskutieren.
JG Danso und ich freuen uns sehr, dass wir von den Organisator*innen von Screenwise eingeladen wurden, aufbauend auf Feministisch Betrachtet im Rahmen der Konferenz einen Programmpunkt zu realisieren. Wir konzipieren dazu einen zweistündigen Rundgang durch die Ausstellungen ON STAGE – Kunst als Bühne und Adam Pendleton. Blackness, White, and Light. JG Danso wird aus Gedichten lesen, die von intersektional-feministischen Texten und Theorien inspiriert wurden. Die Wichtigkeit von Intersektionalität als Praxis wird von der Schwarzen US-amerikanischen Rechtsgelehrten Kiberlé Crenshaw seit den 1980er-Jahren immer wieder betont. Ebenso unterstrich die Schwarze feministische Poet*in Audre Lorde immer wieder, wie wesentlich feministische Theorien und die Wahrnehmung gelebter Realitäten sind. Durch intersektional feministischen Umgang mit Kunstwerken und ihrem Display werden wir mit Diskussionen, der Poesierezitation und einem Gespräch in der Ausstellung fragen: Wie können wir feministische Theorien und Wissen in Kunstinstitutionen im Dialog mit dem Publikum und der Institution anwenden und teilen? Und Wozu?
Dabei werden wir auch die praktischen Anwendungen von Intersektionalität in feministischer Kunst-, Medien- und Filmproduktion und –theorie reflektieren: Wie können die Ansätze intersektional feministischer Kunst sichtbarer werden, wie können Hindernisse erkannt und dekonstruiert werden? Sind intersektionale Ansätze im Kontext zeitgenössischer Kunstinstitutionen überhaupt möglich? Und wie können komplexe Zusammenhänge in Museumsprogrammen verhandelt und diskutiert und dabei Teilnehmer*innen mit unterschiedlichen Hintergründen, Wissen und Vokabular versammelt werden?
Feministisch betrachtet stellt künstlerische Ansätze und Künstler*innen vor und kontextualisiert Sichtbarkeiten und Sichtweisen – mit intersektionalem Blick auf unterschiedliche Diskriminierungspraxen wie Sexismus, Rassismus, Klassismus, Ablismus, Heteronormativität, Transfeindlichkeit.
Das Führungs- und Gesprächsformat spricht unterschiedliche und spontan zusammengesetzte Teilnehmer*innengruppen an, manche sind gut bis sehr gut mit queer-feministischen und feministischer (Kunst) Theorie vertraut, andere entdecken sie zum ersten Mal für sich. Daraus entsteht ein (Ver)Lern-Raum, in dem feministische Theorie konkret mit Alltagserfahrungen verbunden werden. Ich selber verstehe daher Feministisch Betrachtet als eine ‚Neugierige Praxis‘ (im Sinne Donna Haraways). Dabei sind Gäst*innen sehr wichtig. Sie öffnen immer wieder neue Denk- und Handlungsräume und Diskussionen.
2017 diskutierte Künstler*in, Kurator*in und Lehrende Stefanie Seibold in der Ausstellung Woman. Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre aus der Sammlung Verbund über Arbeiten von Gina Pane und Lorraine O´Grady. 2022 diskutierte Elisabeth Schäfer, (Philosoph*in, Mitarbeiter*in und Mitinitiator*in des FWF PEEK-Projektes Performing Primal Communism [AR 568], das künstlerisch forschend an der öffentlichkeitssensibilisierenden Erschließung der 1972 von Otto Muehl gegründeten AA-Kommune („Aktionsanalytische Organisation“) arbeitet, in der Ausstellung Enjoy – die mumok Sammlung im Wandel über Bilder der Gewalt und Gewalt der Bilder. Und in der Ausstellung Das Tier in Dir, ebenfalls 2022, diskutierten wir mit Susanne Lummerding (Kunstwissenschafter*in, Theoretiker*in mit Fokus auf Kunst und Medien im Verhältnis zu Politiken des Zusammenlebens als auch als Praktiker*in und Coach im Kontext von macht- und diskriminierungskritischer Bildungs- und Beratungsarbeit) unter dem Titel Tier* in Dir* über Fragen unterschiedlicher Machtverhältnisse in der Benennungspraxis des Normierens und über Bedingungen für Handlungsmöglichkeiten.
Für die Pride Week 2022 brachte JG Danso ein neues Format ein und las ihr Gedicht A Thousand Ships im Rahmen eines Feministisch Betrachtet mit Ausstellungsrundgang und Diskussion. Dabei stellten wir Andy Warhols Arbeiten in einen breiteren Diskurs sozialer Gerechtigkeit und brachten die Bedeutung intersektionaler feministischer Ansätze für Kunst, Wissenschaft und Institutionen ins Blickfeld. Aktuell konzipiert und realisiert JG Danso ein Bildungsprogramm im Rahmen der Ausstellung Adam Pendleton. Blackness, White, and Light (nächste öffentliche Veranstaltung: Workshop und Lesung mit Queer Writers Circle am 10. Juni).
Feministisch Betrachtet hat sich über die Jahre immer wieder verändert, Teilnehmer*innen bringen sich aktiv ein, viele kommen immer wieder und beteiligen sich so an diesem Prozess. Teilnehmer*innen beschreiben die Veranstaltungen sehr wohl als herausfordernd und die einstündige Führung als einen Prozess, in dessen Verlauf neue Gedanken entstehen und an dessen Ende neue Überlegungen möglich werden. „Wir muten uns etwas zu“ d. h. ich arbeite sehr wohl mit komplexen Inhalten und Terminologien, und mittels unterschiedlicher Beispiele und Formulierungen versuche ich einen Zeit-Raum zu bilden, in dessen Verlauf individuelle Verarbeitungen, Verstehensprozesse und Kontextualisierungen möglich sind. Die Kunstwerke verstehe ich dabei als Mit-Akteur*innen. Und es gelingt nicht alles.
Seit 2019 publiziere ich zudem regelmäßig Beiträge auf dem mumok Blog zu einzelnen Themen und Führungsereignissen. Zur breiteren Kontextualisierung und für ein individuelles Weiterdenken biete ich dort Links und Hinweise zu Thematiken, Künstler*innen, Wissenschafter*innen und Aktivist*innen an. Dies erachte ich als besonders wichtig. Außerdem bildet diese Reihe an Beiträgen auch ein Geflecht, in dem sich die einzelnen Führungstermine und Thematiken verweben. Einige Beispiele:
https://www.mumok.at/de/blog/feministisch-betrachtet-kuenstlerisches-handeln
https://www.mumok.at/de/blog/feministisch-betrachtet-digitale-vermittlungspraxis
https://www.mumok.at/de/blog/feministisch-betrachtet-bildraeume-queeren
https://www.mumok.at/de/blog/feministisch-betrachtet-zum-internationalen-frauentag-2023
Veranstaltung zu SCREENWISE 2003 | 2023. WHO CARES!? am 1. Juni 2023 nur für Konferenzteilnehmer*innen.
Die Eröffnung mit Screening im mumok kino ist für alle Besucher*innen kostenlos zugänglich. Hier geht es zur Buchung.
Zu Bildräume Queeren wird es im Juni eine Fortsetzung in der Ausstellung Adam Pendleton. Blackness, White, and Light geben. Termine entnehmen Sie bitte dem Kalender oder Newsletter.
Mikki Muhr mit JG Danso