
© Niko Havranek
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Emília Rigová
Über die Ausstellung
Das Konzept meiner Ausstellung Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me? ist der Höhepunkt eines künstlerischen Programms, das sich über zehn Jahre erstreckt. Es rekontextualisiert eine Vielzahl historischer Dokumente und Artefakte im Zusammenhang mit dem Leben und der Kultur der Roma. Dieses spezifische Projekt ist inspiriert von verschwundenen Roma-Liedern, die von Bohuslav Valašťan in den 1950er-Jahren in der Slowakei in Form von Notenblättern aufgezeichnet wurden. Für das Projekt im mumok wurden drei Notenblätter aus der Sammlung von Valašťan ausgewählt. Ich arbeite mit ihnen, um die Kategorie der „Wahrheit“ in den historischen Dokumenten über das Leben der Roma und die Kultur im Allgemeinen zu untersuchen. Notenblätter sind die älteste Form der Aufbewahrung von Musikinformationen. Für den größten Teil unserer Kulturgeschichte waren sie das wichtigste Mittel, um sie festzuhalten.
In meinem Projekt im mumok wird das ausgewählte Material im Hinblick auf seine Funktionalität hinterfragt. Traditionelle Roma-Lieder sind allein vom Notenblatt aus schwer zu interpretieren. Alle, die mit Roma-Liedern vom Typ Hallgató (oder Loke giľa) vertraut sind, wissen, dass einige ihrer rhythmischen und melodischen Komponenten unmöglich zu notieren sind. Der europäischen Standardnotation fehlen Zeichen und Symbole, um die für dieses Genre charakteristischen rhythmischen Nuancen und lang gezogenen melodischen Formen zu erfassen (siehe Zuzana Jurková, Kapitolyo mimoevropské hudbě, 1996).
Ich habe den Liedtext, der in den 1950er-Jahren in Form von Notenblättern festgehalten wurde, in eine authentische Aussage verwandelt und dabei eine zeitgenössische Bildsprache verwendet. Das Kunstprojekt befasst sich mit der Roma-Identität als Konstrukt anhand des Liedes Či čorav, či drábavav („Ich stehle und wahrsage nicht“). Der Klang des Liedes wurde dabei auf ein „Objekt“ reduziert, das nur aus den grundlegenden Intervallen und metrischen Merkmalen besteht, die in den Notenblättern enthalten sind.
Die Bedeutung des Ausstellungstitels, Nane Oda Lavutaris, „kein Musiker hier“ in der Sprache der Roma, wird durch die Verwendung eines automatischen Klaviers unterstrichen. Während der Aufführung meißelt ein Steinmetz die Noten und den Text dieses Liedes in eine Felsplatte, was die mechanischen, nichtreferenziellen Töne und „Texte“, die in der simulierten Pflanzenumgebung erklingen, unterbricht. Auf diese Weisewird eine Polysemie geschaffen.
Die Auswahl der Pflanzen für die Ausstellung – insbesondere ihr Aussehen – beeinflusste die Idee des Gesamtkonzepts. Sie hat die Form einer vielschichtigen schriftstellerischen Anspielung, die widerspiegelt, wie die Roma-Kultur in der europäischen Gesellschaft wahrgenommen wird. Die Pflanzensammlung besteht aus drei Hauptpflanzenarten und ihren Kultivaren: Alocasia, Begonia und Calathea. Sie umfasst auch ähnliche Pflanzenarten (Aronstab) mit großen grünen Blättern wie Monstera und Maranta. Diese (meist) exotischen Pflanzen stammen aus Gebieten, in denen die Vorfahr*innen der heutigen (europäischen) Roma lebten. Vor mehr als 1500 Jahren begannen sie, aus ihrer ursprünglichen Heimat in verschiedene Länder der Welt zu wandern, und einige von ihnen ließen sich in Europa nieder.
Die alten Alocasia-, Begonia- und Calathea-Pflanzen sind von Nordwestindien über Persien bis nach Südamerika zu finden. Ihr exotisches, orientalisches und wildes Aussehen entspricht dem Bild der „Zigeuner*innen“, das sich die lokalen Gesellschaften bei ihrer Ankunft in Europa im elften bis zwölften Jahrhundert machten. Das für die Ausstellung Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me? verwendete Bepflanzungssystem soll an einen lebenden epiphytischen Organismus erinnern. Ein Epiphyt, wie wir ihn aus dem Pflanzenreich kennen, stellt eine weitere Anspielung dar, die meine Sicht auf das tatsächliche Zusammenleben von Roma und Nichtroma widerspiegelt.
Lesen Sie mehr über die Ausstellung im Katalog
Emília Rigová. Nane Oda Lavutaris / Who Will Play for Me?
Herausgegeben von Rainer Fuchs, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
Texte von Karola Kraus (Vorwort), Interview: Rainer Fuchs mit Emília Rigová, Essay: Nina Gažovičová, Essay: Nina Vrbanová, Grafikdesign: Nina Ober
Verlag: Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König Köln 2022
Preis: € 14,80 (Versandkosten: Österreich € 5,00, innerhalb der EU € 16,00, weltweit auf Anfrage)