
© mumok, Foto: Niko Havranek
© mumok, Foto: Niko Havranek
Buch, Detail, Harpune Verlag, Tal R Flametti, Foto: Niko Havranek
Buch, Detail, Harpune Verlag, André Butzer, Foto: Niko Havranek
Buch, Harpune Verlag, Jonathan Meese, Mond Parsifal, Foto: Niko Havranek
Buch, Harpune Verlag, Salvatore Viviano, OWG Diary, Foto: Niko Havranek
„Ich bin ein Buch, kaufe mich jetzt“
Dieser Buchtitel von A. R. Penck hätte das Motto für den mumok Art Book Day 2020 werden können, der in diesen Tagen im mumok stattgefunden hätte. Leider musste die Künstlerbuchmesse heuer pandemiebedingt abgesagt werden. So haben wir uns dazu entschieden, Interviews mit vier Protagonist*innen der Wiener Künstlerbuchszene zu führen. Diese werden an vier aufeinanderfolgenden Donnerstagen in unserem Blog zu lesen sein. Auch wenn wir persönliche Begegnungen, Dialoge, Entdeckungen und vieles mehr dadurch nicht ersetzen können – wir hoffen, damit einen kleinen Einblick in die Bandbreite des Künstlerbuches und die Diversität von Methodik und Konzept geben zu können. Lassen Sie sich überraschen!
SM: Ihr habt den Harpune Verlag 2010 als Duo gegründet. Was hat Euch dazu bewogen, in die Branche einzusteigen? Was ist Euer Programm, und wofür steht der Name Harpune?
SB/JZ: Wir haben mit der Unternehmung begonnen, um mit anderen Künstler*innen zusammenzuarbeiten. Wir wollten temporäre Künstler*innengruppen bilden, pro Buch immer wieder eine neue. Wie eine Schiffsbesatzung für eine große Überfahrt, Atlantiküberquerung oder Inselhopping. Das Ziel ist das Künstlerbuch, das wir gemeinsam schaffen. Und letztendlich natürlich auch die Idee einer langfristigen Zusammenarbeit – wenn man einmal die turbulente See gemeinsam überstanden hat, dann heuert man auch wieder gemeinsam an. In dem Kontext steht auch der Name Harpune. Obwohl wir „Harpune Verlag“ heißen, haben wir die Kunst nicht verlassen. Ehrlich gesagt, sind wir bis heute nicht in der Verlagsbranche tätig – wir schrammen vielleicht ab und zu daran vorbei, aber eigentlich spielt sich alles, was wir tun, unter dem Oberbegriff „Kunst“ ab.
SM: Ihr arbeitet und publiziert viel mit anderen Künstler*innen. Wie kam es dazu? Spielt die Tatsache, dass Ihr selbst Künstler*innen seid, dabei eine Rolle?
SB/JZ: Alle unsere Bücher haben die Komponente der Zusammenarbeit. Uns geht es immer um den Austausch, um die Bewegung auf einem gemeinsamen Spielfeld. Die Bücher, die wir machen, würden so wahrscheinlich nie in einem „Buchverlag“ erscheinen – sie sind reine Dinge der Kunst.
SM: Euer Verlagsprogramm hat ein abwechslungsreiches Sortiment: vom signierten, leinengebundenen Unikatbuch über das Taschenbuch bis hin zum Art Zine, vom Preis auf Anfrage bis zu wirklich günstigen für 10 Euro. Gibt es einen roten Faden, der sich durch Euer Programm zieht?
SB/JZ: Die Motivation, für jedes Vorhaben die richtige Form zu finden, ist der rote Faden. Die Aufgabenstellung ist für jedes echte Künstlerbuch immer wieder neu, eigentlich fängt man immer bei Null an. Von diesem Punkt aus entwickeln sich dann die unterschiedlichsten Bücher, Objekte oder Editionen. Manchmal entstehen sogar Erstübersetzungen, wie bei unserem Livre de Peintre Flametti von Tal R und Hugo Ball, das eigentlich eine originalgrafische Edition von 30 Exemplaren ist und später in der englischen Übersetzung bei Wakefield Press als Paperback in einer riesigen Auflage erschien. Gerade bei den limitierten originalgrafischen Editionen ist uns wichtig, dass wir den Inhalt zugänglich halten, deswegen gibt es von den meisten auch eine Paperback- oder Zine-Version.
SM: Eine Besonderheit des Harpune Verlags ist, dass Ihr mit Neue Satz Wien eine eigene Druckwerkstatt betreibt und Du, Sarah, die alte Technik des Bleisatzes beherrschst. Das hört sich nach gekonnter Typografie zwischen „old-fashioned“ und avantgardistisch an. Wie wirkt sich die Werkstatt auf Eure Arbeit aus?
SB/JZ: Ich habe 2011 eine anachronistische Buchdruckwerkstatt übernommen und das Handwerk gelernt. Also haben wir jetzt einige große, schwere Maschinen zur Verfügung. Das gibt uns die Möglichkeit, dort, wo es passt, diverse Druck- und Buchbindetechniken mit in unsere Produktion aufzunehmen. Dadurch können wir extrem viel experimentieren und autark Dinge realisieren, die sonst nicht möglich wären.
SM: Die Serie Moby Dick Filet erscheint monatlich mit je einem Kapitel. Was steckt dahinter? Warum filetiert Ihr Hermann Melvilles Roman in so viele Stücke, und welche Rolle spielt dabei die Zahl 136?
SB/JZ: Moby Dick Filet ist unser längstes und aufregendstes Publikationsexperiment. Wir filetieren die bekannte Geschichte von Kapitän Ahabs Jagd nach dem Weißen Wal in ihre 136 Kapitel und veröffentlichen sie nicht chronologisch als eine Art Groschenromanreihe. Die Künstler*innen, die wir einladen, wählen ein Kapitel aus, das sie gestalten. Die einzige Prämisse ist, dass der Text von Herman Melville in irgendeiner Form vorkommt und lesbar bleibt. Für uns ist das eine tolle Art, mit den unterschiedlichsten Künstler*innen zusammenarbeiten zu können. Dadurch entsteht auch eine Verbindung der Künstler*innen untereinander – da ist wieder die Idee der Künstler*innengruppen, die sich eigentlich durch alles zieht, was wir machen.