
© Jakob Lena Knebl 2021
© Jakob Lena Knebl 2021
Eine kleine Kostprobe aus unserer aktuellen Ausstellung Enjoy – die mumok Sammlung im Wandel.
Der Multimediaguide des mumok ist über iOS und Android kostenlos abrufbar und so können Sie auch von zuhause aus einen Rundgang durch die Ausstellungen unternehmen. Viel Spaß!
Gratis-Download im iTunes App Store und im Google Play Store erhältlich.
Die Künstlerin Jakob Lena Knebl als Möbelstück, eine scheinbar übergangslose Verwandlung. Sie inszeniert sich als grünes Chesterfield-Sofa vor schwarzem Hintergrund. Der nackte, voluminöse Körper ist lindgrün und schwarz bemalt, die Haut mit illusionistisch gesetzten, für das Chesterfield-Möbel typischen Knöpfen versehen. An den Armen trägt Knebl eine echte Polsterung, die mit olivgrünem Samt bezogen ist. Füße, Hals und Schultern, partiell auch Beine und Bauch sind schwarz bemalt, goldene Hände und zwei Punkte an den Schienbeinen deuten die geschwungenen Füße eines Sofas an. Gesicht und Haare der Künstlerin sind bis auf etwas hellgrüne Farbe auf Wangen und Nase nicht in die Sofa-Inszenierung integriert. Und so sehen wir Mund und Augen weit geöffnet, wie im Aufschrei, der Blick der Künstlerin wirkt erschrocken oder fast irre.
Bei Chesterfield-Sitzmöbeln wird der Bezug, meist Leder oder Samt, rautenförmig in Falten gelegt und mit großen Knöpfen befestigt. Kapitonierung ist der Fachbegriff für diese Technik, die das Volumen zusammenpresst und in Form bringt. Knebl überträgt dieses Motiv auf ihren eigenen Körper. Man könnte diese Selbstinszenierung auch als Kommentar auf die Zwänge rigider normativer Körperideale lesen, die so fest sitzen wie die Kapitonierung eines Sofas.
Knebl hat ein besonderes Interesse am Design als Spiegel gesellschaftlicher Strukturen und Formen des Begehrens. „Möbel“, so die Künstlerin, „unser soziales Umfeld, die Dinge, mit denen wir uns befassen, die Art, wie wir uns kleiden, die Kunst, die uns anzieht, unsere Begeisterung und unser Begehren sind Körpererweiterung, sind unsere Identität. Wir haben mit ihnen eine Art Beziehung, die uns einen Platz innerhalb sozialer Hierarchien zuweist.“
Chesterfield-Möbel sind schwer, voluminös, bequem und strapazierfähig. Traditionell sind sie in typisch männlichen Interieurs zu finden, etwa exklusiven Gentlemen’s Clubs. Knebls Anverwandlung spielt auch mit diesen traditionellen Zuordnungen im Design und in der Mode. Das Verhältnis des Menschen zu seinem Körper und wiederum dessen Verhältnis zum Umraum ist Knebls zentrales Thema. In Verbindung mit Überlegungen zur Kunst- und Designgeschichte sind ihre Werke ironische und exzentrische Auseinandersetzungen mit gesellschaftskritischen und politischen Inhalten. Das Ergebnis sind einprägsame und oft auch humorvolle Fotografien, Filme, Performances, Installationen, Objekte oder auch ganze Ausstellungskonzepte, welche die Betrachtenden auch ohne Spezialwissen in Gendertheorie oder Kunstgeschichte ansprechen sollen. Der eigene Körper dient ihr immer wieder als Material und Ausdrucksmittel, sei es bemalt im Stil von Piet Mondrian, sei es in verschiedensten Verkleidungen und Kostümen, etwa als Hexe oder Vamp. Sie begreift den menschlichen Körper als stets im Wandel befindlich und in hohem Maße durch das soziale Umfeld bedingt – wodurch er immer wieder anders erfahren und Teil „fluider Identitäten“ ist.