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60 Jahre mumok | Teil 5: Die 2000er-Jahre

mumok insider


Mit der Eröffnung des neuen Museums am 15. September 2001 stand erstmals in Österreich ein eigens für die Kunst seit der Moderne gebautes öffentliches Museum zur Verfügung. Nachdem drei Tage zuvor der Terroranschlag auf das World Trade Center die Welt in eine Kriegsstimmung gestürzt hatte, war auch das mediale Interesse an einer Museumseröffnung etwas gedämpft. Mit der noch von Edelbert Köbs Vorgänger Lóránd Hegyi verantworteten Eröffnungsausstellung endete auch dessen Direktionszeit. Köb sah sich nun mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Eine bestand darin, den kleiner als ursprünglich geratenen mumok Bau noch soweit als möglich zu optimieren, eine weitere hatte mit der sogenannten Ausgliederung des Museums, d. h. einer verstärkten wirtschaftlichen Eigenverantwortung zu tun. Diese betraf alle Bundesmuseen und wäre auch nicht weiter erwähnenswert, hätte dies nicht zu einem Wettrennen der Bundesmuseen für Kunst um das Publikum geführt, in dem die als Spartenmuseen gegründeten Institutionen wie die Österreichische Galerie Belvedere, die Albertina, das Kunsthistorische Museum und das MAK nun auch Museum moderner Kunst spielen wollten. Als Gegenwehr initiierte das mumok eine Museumsdebatte, die von den anderen Direktor*innen weitgehend torpediert wurde. Mitverantwortlich dafür waren aber auch unzeitgemäße museale Strukturen, die eine mutige neue Reform aller Bundesmuseen für Kunst erfordert hätten – noch immer eine Baustelle für die Zukunft.

Auch in seinem Ausstellungs- und Sammlungsprogramm verfolgte das Museum nun neue Wege, nachdem es unter Hegyi sehr viel Malerei und Kunst aus peripheren Regionen aufgetankt hatte. Angesagt war nun eine Offensive für medienbasierte und konzeptuelle Kunst in Verbindung mit einem intensivierten Diskurs- und Veranstaltungsprogramm. Von den österreichischen Künstler*innen kamen nun jene zum Zug, die für die Überwindung der neuen wilden Malerei und für neokonzeptuelle Tendenzen standen: Heimo Zobernig (2002), Gerwald Rockenschaub (2004), Erwin Wurm (2006), Peter Kogler (2008) und Brigitte Kowanz (2010). Auch stand das Programm nun für eine Öffnung nach außen, wenn etwa Cathrin Pichler eingeladen wurde, über Antonin Artaud (2002) die erste große Retrospektive dieses Künstlers als Auftakt des Ausstellungsprogrammes zu kuratieren. Was in Frankreich selbst aufgrund der Streitigkeiten der Erben Artauds nicht möglich war, glückte damit im mumok. Eingeladen wurden aber auch österreichische Sammler*innen, sich und ihre Arbeit in einer umfangreichen Schau vorzustellen, allerdings nicht einfach zu deren Selbstpromotion, sondern um einen Status Quo der heimischen Museumspolitik offenkundig zu machen: Es war inzwischen nämlich unmöglich geworden, mit den staatlichen Budgets allein die Kernaufgabe des Sammelns seriös erfüllen zu können. Als eine Art Hilfeschrei wurde daher von Köb 2005 das sogenannte Jahr des Sammelns ausgerufen, das auch in weiteren Ausstellungen und Diskussionsveranstaltungen nach neuen Lösungsansätzen suchte. Ein äußerst positiver Aspekt dieser Bemühungen waren die Schenkungen der geometrisch abstrakten und konzeptuellen Kunst des Sammlerehepaares Dieter und Gertraud Bogner, die 2007 erstmals erfolgte und durch weitere Schenkungen bis heute die mumok Sammlung erheblich verstärken.  

Nicht nur das Sammeln zielte nun auf bislang unterrepräsentierte Positionen medienbasierter und konzeptueller Kunst, auch die Ausstellungen spiegelten diese Ausrichtung wider. So wurden in X Screen (2003) filmische Installationen und Aktionen der 1960er- und 1970er-Jahre thematisiert, oder in Changing Channels (2010) Bezüge zwischen Kunst und Fernsehen gezeigt. Das bahnbrechende Frühwerk des Konzeptkünstlers John Baldessari (2005) wurde weltweit erstmals im Überblick gezeigt. Mit Hanne Darboven (2003), Yves Klein (2007), Cy Twombly (2009) waren weitere internationale Positionen Bestandteil des Ausstellungsprogrammes. Feministische Kunst vermittelten u. a. die Überblicksschau zur Geschlechterthematik in osteuropäischen Ländern Gender Check (2009) sowie die Ausstellung der Amerikanerin Zoe Leonard (2010). Mit einer Schau über die afroamerikanische Künstlerin Kara Walker (2002) bezog das mumok gegen Rassismus Stellung. Die Klassische Moderne wurde in mehreren Präsentationen unter neuen interdisziplinären, themenübergreifenden Perspektiven betrachtet, ebenso wie der Wiener Aktionismus, dessen Rolle innerhalb der internationalen Entwicklung dargestellt oder in seinen Verbindungen zum Wiener Secessionismus und Expressionismus der Moderne historische Bezugsfelder fand. Unter Köb wurde das mumok auch durch seine Übernahme und Aufarbeitung von Archivalien zum Kompetenzzentrum für den Wiener Aktionismus.     

Rainer Fuchs