
Irene Ludwig und Lóránd Hegyi bei der Eröffnung des mumok im MuseumsQuartier 2001
© mumok
Irene Ludwig und Lóránd Hegyi bei der Eröffnung des mumok im MuseumsQuartier 2001
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Ausstellungsansicht: Zeit – Räume. Michelangelo Pistoletto, 1995
Ausstellungsansicht: Coming up: Junge Kunst in Österreich, 1996
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Ausstellungsansicht: Split:Reality – VALIE EXPORT, 1997
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Ausstellungsansicht: Aspekte / Positionen. 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa 1949 –1999
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Ausstellungsansicht: Aspekte / Positionen. 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa 1949 –1999, 1999
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Mit dem Ende des Kommunismus in Osteuropa und dem Fall des Eisernen Vorhangs vollzog sich in den 1990er-Jahren auch in der Museumspolitik des mumok ein entscheidender Wandel. Nach Dieter Rontes Weggang ans Sprengel Museum in Hannover und der interimistischen Leitung von Wolfgang Drechsler wurde 1990 der ungarische Kunsthistoriker und Kurator Lóránd Hegyi als neuer Direktor bestellt. Diese Wahl entsprach der kulturpolitischen Vision des damaligen Ministers Erhard Busek, der sich für die sogenannte Ostöffnung und eine damit verknüpfte Mitteleuropa-Ideologie engagierte, die nicht ganz frei von rückwärtsgewandten Allüren war. In diese Zeit fielen auch weitere Schenkungen mit osteuropäischer Kunst durch das Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig, weshalb das Museum ab 1991 Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien hieß.
Hegyi hatte bereits in den 1990er-Jahren intensive Kontakte zu westeuropäischen Museen und Künstler*innen unterhalten und blieb auch während seiner Wiener Zeit ein äußerst reisefreudiger Direktor. Seine Reisen führten ihn aber nicht in die Metropolen des westlichen Kunstbetriebes, sondern in bis dato als peripher betrachtete Regionen. Neben den osteuropäischen Ländern war dies vor allem der mediterrane Bereich mit Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, aber ebenso der mittlere Westen der USA, Israel, Japan oder Lateinamerika. Hegyi ging es dabei um die Erweiterung und Öffnung eingefahrener geopolitscher Grenzen für die Ausstellungs- und Sammlungspolitik des Museums.
In großen thematischen Ausstellungen wurden wesentliche Bereiche der Kunst osteuropäischer Länder aufgearbeitet. So bot die Ausstellung Reduktivismus (1992) einen Überblick über die abstrakten Tendenzen in Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei in der Zeit der kommunistischen Diktatur während Aspekte – Positionen (1999) einen repräsentativen Querschnitt ost- und südosteuropäischer Kunst vom Kommunismus zum Turbokapitalismus zeigte.
Im Ausstellungs- und Sammlungsprogramm nahm die Malerei eine zentrale Rolle ein: In Einzelausstellungen war nicht nur das Who is Who der heimischen Malereiszene vertreten, u. a. Christian Ludwig Attersee (1993), Hubert Schmalix (1994), Alois Mosbacher (1997), Hubert Scheibl (1998), Siegfried Anzinger (1998) Erwin Bohatsch (1999), Hermann Nitsch (1999) und Maria Lassnig (1999), sondern ebenso die internationalen Malerstars des Figurativen und Expressiven (u. a. Jörg Immendorff (1991), Georg Baselitz (1992), Markus Lüpertz (1994), Erró (1996), Laszlo Feher (1997) Georg Jiri Dokoupil (1997) oder David Salle (1999). Mit Ausstellungen von Roman Opalka (1993), Sean Scully (1995) oder Bernard Frize (1999) wurde auch abstrakte Malerei gezeigt sowie analytische malerische Tendenzen, etwa in Bildlicht (1991) oder der Eröffnungspräsentation Analytische Malerei (2001) im neuen mumok. Im Bereich der Klassischen Moderne wurde das umfangreiche malerische Werk von Arnold Schönberg (1991) vorgestellt.
Die Hinwendung zu Peripherien und zur Malerei bestimmten die Ära Hegyi aber nicht allein. Eine in den frühen 1990er-Jahren realisierte Ausstellungsserie mit jüngeren Künstler*innen unter dem Titel Interferenzen war mit Performanceveranstaltungen verknüpft, die auch die Lebendigkeit dieser Kunstform in Ost und West vermitteln konnte. Institutionsanalytische Kunst fand sich in den Ausstellungen Exhibition (1994) und Self Construction (1995), aktuelle Fragen zu Geschlechterrollen und deren gesellschaftlichen Kontexten vermittelten die Retrospektiven von Merce Cunningham (2000), VALIE EXPORT (1997) und Felix Gonzalez-Torres (1998). Lois Weinbergers erste große Retrospektive (2000) setzte ebenfalls Akzente jenseits der Malerei. Mit der Ausstellung der Sammlung Marzona (1995) konnte eine der zentralen Privatsammlungen minimalistischer und konzeptueller Kunst gezeigt werden – ein im prunkvollen barocken Ambiente des Palais Liechtenstein nicht ganz einfaches Unterfangen. Dort standen die sogenannten Grafischen Räume auch für einen Schwerpunkt auf moderner und aktueller Fotografie.
In den 1990er-Jahren entschied sich auch die Zukunft des Museums in Form des Neubaus im MuseumsQuartier. Nachdem sehr viele Jahre ungenutzt verstrichen waren, entstand nun ein hektisches Gedränge in dem sehr viele unterschiedliche politische Interessen aufeinanderprallten – nicht unbedingt zum Vorteil der neuen Museen. Noch dazu wurde auf Intervention der Boulvardpresse ein geplanter Leseturm verhindert und das mumok in seinen Dimensionen erheblich geschrumpft. So richtig hatte man sich vom misstrauischen Umgang mit moderner und zeitgenössischer Kunst um 1900 auch hundert Jahre später noch immer nicht gelöst.
Rainer Fuchs