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20 Jahre mumok im MQ

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Als am 15. September das mumok als erstes staatliches Museum, das eigens für die Kunst seit der Moderne geplant und gebaut wurde eröffnete, beherrschte der vier Tage zuvor auf das World Trade Center verübte Terroranschlag das öffentliche Interesse. Angesichts der fast 3.000 Todesopfer dieses Anschlags und einer signifikanten Erschütterung der globalen Sicherheitslage war die Neugierde auf Kunstereignisse sehr gedämpft. Die internationalen und lokalen Medien standen ganz im Bann der unmittelbaren Folgewirkungen des Terrors, denn es herrschte eine Art Kriegszustand, der außerdem den interkontinentalen Flugverkehr lahmlegte und die erhoffte Gästeschar aus Übersee ausbleiben ließ.

Auch wenn man unter diesen Umständen die Eröffnung eines Kunstmuseums für eine eher periphere oder luxuriöse Geste halten mochte, so handelte es sich dabei doch um eine bitter notwendige und längst überfällige Maßnahme, um dem zuvor auf zwei Gebäude aufgeteilten Museum endlich einen adäquaten Ort zu geben. In Wahrheit waren diese beiden von ihren ursprünglichen Funktionen zweckentfremdeten Häuser, also sowohl das Palais Liechtenstein als auch das 20er Haus, in ihren baulichen Strukturen nicht mehr für die Präsentation von aktueller Kunst geeignet. Das Adelspalais, das Ende der 1970er-Jahre im Zuge der Gründung der Österreichischen Ludwig Stiftung und der Übernahme zahlreicher Hauptwerke der Pop Art sowie von Fluxus-Arbeiten der Sammlung Hahn angemietet wurde, verfügte über keine Klimaanlage und bot eine hochbarocke Kulisse, die alles dominierte. Das 20er Haus, ein adaptierter Expopavillion von 1958, war bereits im Verfallen begriffen und konnte später nur durch einen neuen Nachbau, das heutige 21er Haus, „gerettet“ werden. Noch in den 1990er-Jahren war der breiteren Öffentlichkeit nicht bewusst, dass beide Gebäude einer Institution angehörten, die Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien hieß. Kein Wunder: unterschiedlicher konnten Museumsgebäude gar nicht sein, die noch dazu weit auseinanderlagen. Die Übersiedlung aus zwei dezentral liegenden Häusern ins MQ war eine immense logistische Herausforderung, die etwas durch den Umstand erleichtert wurde, dass während des Umzugs ein großer Teil der Sammlung unter dem Titel Zwischenquartier im Wiener Künstlerhaus gezeigt werden konnte. Dies ermöglichte es vor allem, für die Öffentlichkeit präsent zu bleiben und entspannte nebenbei die Transport- und Lagerlogistik.

Kurz und gut: Das neue Gebäude im Museumsquartier unter dem Kürzel mumok bedeutete einen Quantensprung für die Sammlung, die Präsentation und die öffentliche Wahrnehmung moderner und gegenwärtiger Kunst. Keine Kompromisse mehr gegenüber barocken Schnörkeln und spätmodernem Funktionalismus, sondern neutrale Räume, die man auf die jeweils speziellen Ausstellungserfordernisse abstimmen konnte. Die fixen, noch unter dem Übergangsdirektor Lóránd Hegyi eingebauten Wände wurden unter seinem Nachfolger Edelbert Köb sukzessive entfernt, um für eine jeweils flexible Innenarchitektur Platz zu schaffen, was sich bis heute bestens bewährt hat.

Übersehen werden darf aber nicht, dass das mumok ursprünglich wesentlich größer geplant war, und dass der Umbau des ursprünglichen Messepalastes eigentlich für einen exklusiven Neubau des mumok gedacht war. Die lokale mentale Distanz gegenüber Avantgardismen sowie der Hang österreichischer Politik zu einem eigenartigen Mix aus Junktimierungen und parteipolitischen Polarisierungen haben in Verbindung mit dem Einfluss der hiesigen Boulevardpresse zu einer wesentlichen Reduktion des mumok und auch zur Eliminierung des geplanten Leseturms geführt. Es ist auch kein Zufall, dass das erste eigens für neuere Kunst gewidmete Museum hierzulande nicht vom Staat, sondern von privater Seite errichtet wurde, nämlich das inzwischen (2016) bereits wieder geschlossene Essl Museum, das 1999 eröffnete.

All diese kulturpolitischen Facetten gehören auch zur Geschichte des mumok, das nun seine erfolgreichen ersten 20 Jahre im MQ feiert. Es ist dem Museum in dieser Zeit gelungen, sich einen hervorragenden internationalen Ruf zu erarbeiten und vor Ort jene Institution zu sein, die einen neuen, frischen und experimentellen Blick sowohl auf die Kunstgeschichte der Moderne wie auch auf das aktuelle Kunstgeschehen ermöglicht. Nach dem Schock von Corona und dem Einbruch eines erfolgsverwöhnten Tourismus sowie angesichts der Umweltzerstörung und der damit verknüpften verstärkten globalen Polarisierung in Arm und Reich mit ihren Migrationseffekten wollen sich viele angeblich wieder auf das Wesentliche und Nachhaltige besinnen. Für das mumok standen diese Werte, zu denen besonders auch der bildungspolitische Auftrag zählt, nie außer Frage. Dem Mainstream nicht einfach zu folgen, sondern ihn gerade mittels Kunst in Frage zu stellen ist und bleibt eines der Erfolgskonzepte des Museums.

Rainer Fuchs